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Horst Köhler
Der Teltowkanal - Vom Wunsch zur Idee

Am Anfang stand wiederholt der Wunsch, für die nördlichen Gebiete des Landkreises Teltow eine wirksame Vorflut zu schaffen. Die Ortschaften Britz, Tempelhof, Mariendorf, Lankwitz, Steglitz, Lichterfelde und Giesensdorf mußten ohne natürliche Entwässerung auskommen. Alle Gemeinden von Teltow bis Adlershof hatten größte Schwierigkeiten in der Ableitung von Regenwasser und der Abwässer aus den

Haushalten, Handwerks- und Gewerbebetrieben, deren Zahl und Größe sich ständig erhöhte bzw. ausdehnte.
     Nicht unwesentlich ist auch die Tatsache, daß die von Steglitz zum Griebnitzsee fließende Bäke als natürlicher Vorfluter mit ihrem nicht zu unterschätzenden Flußdasein weite Gebiete versumpfte. Bei jedem größeren Regen waren Überschwemmungen unvermeidlich. Kein Wunder also, wenn die im Sommer von Mücken beherrschte Gegend als ungesund bezeichnet wurde und neue Ansiedlungen nur spärlich erfolgten. Die sich häufenden Klagen über die ungenügende Vorflut der Bäke haben schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts den ersten ernsthaften Anlaß gegeben, einem Projekt zur Regulierung des Bäkefließes näher zu treten.

Karte des Kanalverlaufs um 1900
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Die Beseitigung der Übelstände in deren Fließgebiet war als notwendig erkannt worden und bildete über viele Jahren eine Aufgabe der beteiligten Behörden und Interessenten. Leider war eine Lösung lange Zeit nicht erreicht worden; und so steigerte sich der Zustand bis zur Unerträglichkeit.

Zum tragfähigen Kanalprojekt

Bereits im Jahr 1861 gab es erste Vorstellungen für den Bau eines Kanals. Aber noch 40 Jahre sollten vergehen, bis das rund 48 Millionen Mark teuere Projekt realisiert wurde.


Blick von der Baumschulenbrücke in Richtung Kanalkreuz
Erst die von Christian Havestadt, Königlicher Baurat aus Wilmersdorf, am 29. April 1898 vorgestellte Planung konnte überzeugen und fand breite Zustimmung. Sie ging davon aus, daß der Kanal seine obere Mündung an der Wendischen Spree zwischen Grünau und Köpenick hat, dann dem Spreetal folgend in nordwestlicher Richtung parallel der Berlin- Görlitzer- Bahnlinie verläuft, in der Nähe von Britz eine Schwenkung nach Südwesten macht, die er im Wesentlichen bis zu seiner unteren Mündung in die Havel (Glienicker Lake) beibehält. Im östlichen Abschnitt berührt er die Ortschaften Grünau, Altglienicke, Rudow, Johannisthal und Britz. Er durchquert dabei große Wiesen- und Ackergebiete, die in hohem Grade der Entwässerung bedurften. Im westlichen Abschnitt werden Tempelhof, Mariendorf, Lankwitz, Steglitz, Lichterfelde, Zehlendorf, Schönow, Teltow, Stahnsdorf, Kleinmachnow, Neubabelsberg und Klein- Glienicke gestreift. Auf der Strecke von Britz bis Steglitz mußten die Ausläufer der mit zahlreichen Tümpeln und versumpften kleinen Wasserläufen durchsetzten Hochebene des Teltow durchstochen werden. Von Steglitz an bestimmt das versumpfte Urstromtal der Bäke mit wenigen Abweichungen vom Flußverlauf westwärts die Kanaltrasse. Eine der bemerkenswertesten und für die Ausführung schwierigsten Teilstrecken war der Durchstich vom Griebnitzsee zum Bäketal, weil auf 400 Metern drei doppelgleisige Eisenbahnlinien und zwei Straßen kreuzten.
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     Der Kanal berührte fünf Seen. Durch Ausbaggerung einer Fahrrinne wurden der Griebnitzsee und der Machnower See vertieft. Der Giesensdorfer, der Schönower und der Teltower See dagegen wurden trockengelegt, so daß diese ehemaligen Gewässer seit dem Kanalbau verschwunden sind. In Anbetracht der erheblich höheren Wasserspiegellage des Teltower Sees und seiner reizvollen landschaftlichen Umgebung sollte der Kanal ursprünglich nördlich um den See herumgeführt werden. Diese Überlegung wurde jedoch wieder verworfen.
     Von der Hauptlinie des Kanals zweigt bei Britz noch eine kurze »Nebenlinie« ab, die bei Baumschulenweg in die Spree mündet.
An der Einmündung des Kanals in den Griebnitzsee erstreckt sich nach Norden der Prinz- Friedrich-Leopold- Kanal, der die Verbindung zum Wannsee herstellt und vorrangig der Vergnügungs- und Sportschiffahrt dient.
     In die Planung war der Durchgangsverkehr von der oberen Oder zur Havel und zur Elbe einbezogen. Als Teil des Märkischen Wasserstraßen- Netzes sollte der Kanal die Güterversorgung der anliegenden Ortschaften auf dem Wasserwege erheblich erleichtern und eine schiffbare Verbindung bis nach Hamburg schaffen. Nach dem Ende der Frostperiode begann im April 1901 der Bau gleichzeitig an mehreren Abschnitten.


Die Schleuse des Teltowkanals in Kleinmachnow
Zur Bewältigung der insgesamt 12,6 Millionen Kubikmeter Erdreich umfassenden Arbeiten wurde neueste Trocken- und Naßbaggertechnik eingesetzt. Für das Aufblühen der anliegenden Ortschaften des Kreises Teltow und einer dynamischen Entwicklung der gesamten Region war der Kanalbau eminent wichtig. Für Schiffe auf dem Weg zwischen Elbe und Oder, die nicht Berlin anzulaufen brauchten, verkürzte sich der Wasserstraßenweg um 16 Kilometer.
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Der Vater des Kanals

Auf Initiative des Kreises Teltow und durch das besondere Engagement von Landrat Ernst Stubenrauch (1853-1909) konnte das bereits langjährig geplante Projekt eines Kanalbaus in den Jahren 1900 - 1906 realisiert werden.
     Als 31jähriger hatte sich Stubenrauch gegen den Adlershofer Amtsvorsteher von Oppen bei der Wahl zum Landrat des Landkreises Teltow durchgesetzt. 1885 übernahm er das Amt und hat es 23 Jahre ausgeübt. Sein unermüdlicher Einsatz für die Belange des Kreises brachte ihm als Anerkennung die Bezeichnung »Vater des Kreises Teltow« ein. Der Kaiser verlieh ihm im Jahre 1900 für seine Leistungen den erblichen Adelstitel.

Die Eröffnung

Die feierliche Eröffnung des Teltowkanals fand am 2. Juni 1906 statt. An derselben Stelle, an der am 22. Dezember 1900 der Kronprinz den ersten Spatenstich mit den Worten: »Seiner Majestät zur Ehre, der Mark zum Nutzen« getan hatte, war am Eröffnungstag ein weißrotes Atlasband von Ufer zu Ufer gespannt. Vor der Kanaleinfahrt längs des Babelsberger Parkes hatten die beiden Dampfer der Kreisschiffahrt WANNSEE und STEGLITZ, mit Ehrengästen an Bord, festgemacht.

Aus der Glienicker Lake kommend, hielt die königliche Yacht ALEXANDRIA, auf der sich neben der kaiserlichen Familie auch Landrat von Stubenrauch sowie die Königlichen Bauräte Havestadt und Contag befanden, Kurs auf den Teltowkanal. Mit dem Passieren der mit dem seidenen Band symbolisierten Einfahrt, galt die neue Wasserstraße offiziell als eröffnet. Ohne Stop steuerte die ALEXANDRIA, gefolgt von den beiden Kreisdampfern, mit Kurs Schleuse Kleinmachnow.
     Der Höhenunterschied zwischen dem Wasserspiegel der Potsdamer Havel und dem der Oberspree wird dank der in landschaftlich reizvoller Umgebung liegenden einzigen Schleuse des Teltowkanals bei Kleinmachnow überwunden. Sie trennt die Spree von der Havelhaltung und besorgt den Ab- und Aufstieg der Schiffe bei einem mittleren Gefälle von 2,74 Metern.

Das elektrische Treideln

Neben dem Treiben in der Strömung, neben Rudern, Staken, Wriggen oder Warpen sowie - bei günstigem Wind - Segeln, war Treideln oder Trecken (lat. tragulare = schleppen) auf allen Wasserstraßen eine Urmethode zur Fortbewegung von Schiffen. Einst zog der Mensch das Seil, später erfolgte das Treideln stromaufwärts vor allem mit Pferden und Ochsen.

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Das Modell einer Treidellokomotive (Deutsches Technikmuseum Berlin)
Das Ergebnis dieser Versuche war eine viel preiswertere Gründung des Kanalbettes. Denn gegenüber dem Eigenantrieb der Schleppzüge wurden dadurch erheblicher Sog und ebensolcher Wellenschlag vermieden bzw. verringert und Bett und Ufer geschont. Dies war wegen des sandigen Untergrunds und der ebenso sandigen Böschung des Kanals ausschlaggebend. Der Betrieb mit elektrischen Treidellokomotiven erwies sich als die zweckmäßigste Art des Schleppens.
     Von umfangreicher Kriegszerstörung 1945 waren auch die Anlagen der Treidelbahn betroffen. An einen Wiederaufbau war nicht
Die bekanntesten »Treidelknechte« waren die »Wolgaschlepper«. Die damals dabei erreichten Geschwindigkeiten paßten durchaus in das Tempo ihrer Zeit.
     Das Befahren des Teltowkanals war von Beginn der Planungsarbeiten an auf Treideln ausgerichtet, und nachdem sich in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Elektrizität sprunghaft entwickelt hatte, gaben die Erbauer dem elektrischen Treidelbetrieb den Vorzug. Dies ergab sich durch zahlreiche Versuche mit Treidellokomotiven der Firma Siemens - Halske (später Siemens- Schuckert) am Finowkanal.
zu denken, zumal in der Nachkriegszeit andere für die Stadt lebenswichtige Aufgaben, so die Wiederherstellung einer funktionierenden Infrastruktur, Vorrang hatten; den Brückenbau über den Kanal eingeschlossen. Was nicht in Betrieb gehalten wird, verrottet schnell. Insofern wäre es nach dem Kriegsende ein wirtschaftlich unvertretbarer Aufwand gewesen, die Treidelbahn neu zu installieren. Anfang der 50er Jahre wurden die Reste der Treidelanlage abgebaut, denn ein späterer Wiederaufbau wurde nicht ins Auge gefaßt. Für museale Zwecke sind bis in die Gegenwart zwei Treidellokomotiven erhalten geblieben.
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     Eine ist im Besitz des Deutschen Technikmuseums und für den Museumsbesucher bisher nicht zugänglich. Eine zweite Lok steht, restauriert und besucherfreundlich, am südlichen Teltowkanalufer östlich der Emil-Schulz- Brücke in Lichterfelde.

Barrieren für die Nutzung

Die Nutzung mußte in den ersten Nachkriegsmonaten entfallen. Nach und nach wurden die Schäden beseitigt, und zögerlich entwickelte sich das Leben am und auf dem Wasser. Es folgte die Berlin- Blockade vom 24. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949, die auch den Schiffsverkehr betraf.

Ein Stück Normalität für und auf Berliner Gewässern ist wiedergewonnen worden.

Blick in die Zukunft

Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17 hat in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts den Ausbau des Wasserweges von Hannover über Magdeburg nach Berlin als West-Ost- Achse innerhalb des europäischen Wasserstraßennetzes zum Inhalt. Ein Teilvorhaben dieses Projektes ist der Ausbau der Berliner Südtrasse von der Potsdamer Havel über den Teltowkanal, den Britzer Zweigkanal in die Oberspree bis zum Berliner Osthafen.

Doch schon ein Jahr später wurde infolge politischer Divergenzen zwischen den Besatzungsmächten die durchgehende Befahrbarkeit für mehr als drei Jahrzehnte unterbrochen. Nach langwierigen Verhandlungen West- und Ost-Berliner Regierungsdienststellen fand am 20. November 1981 die Wiedereröffnung des Teltowkanals vom Westen her statt. Das im Kalten Krieg gesperrte Teilstück im Grünauer Zweig wurde nach dem Mauerfall umfangreich saniert und ist seit dem vergangenen 1. April mit seinem Zugang aus der Dahme für den Verkehr ebenfalls wieder frei.

Das Kraftwerk Lichterfelde
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Der Teltowkanal im Heimatmuseum Treptow
 
Mit dem Ausbau dieser Wasserstraßenverbindung wird es möglich werden, Güter aller Art vom Rhein bis Berlin effektiv zu transportieren.
     Auch noch nach fast einem Jahrhundert seiner Anlage fungiert der Teltowkanal darüber hinaus als Aufnahmegewässer für Regen-, Brauch-, gereinigte Industrieabwässer sowie für die gereinigten Abläufe von Klärwerken. Zudem liefert er das Kühlwasser für zwei Kraftwerke.
Vorgesehen ist die Nutzung dieser Wasserstraße durch Großmotorgüterschiffe bis zu 2 000 Tonnen und Schubverbänden mit 3 500 Tonnen, die diese Strecke überwiegend im einschiffigen Richtungsverkehr befahren sollen. Ein Minimum an Energiebedarf, die hohe Verkehrssicherheit, die geringe Umweltbelastung und letztlich die hohe Wirtschaftlichkeit des Gütertransportes auf dem Wasser sprechen für die Realisierung des Projektes, um das steigende Verkehrs- und Transportaufkommen bewältigen zu können. Ausstellung und Buch

Fast 100 Jahre nach dem ersten Spatenstich war 1998 bis 1999 das Heimatmuseum Treptow im historischen Rathaus Johannisthal Anziehungspunkt für zahllose Interessenten des Teltowkanals. Nach mehrjähriger Vorbereitung und unter sachkundiger Führung von Frau Barbara Zibler, Leiterin des Heimatmuseums, entstand mit der Unterstützung vieler Unternehmen, alter und neuer Kanalanlieger die bis dato größte und detaillierteste Exposition zur Lebensader im Berliner Süden.

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     Ein historisches, ein gegenwärtiges und ein zukünftiges Thema bilden eine Einheit in der Darstellung vom Werden und Wachsen des Teltowkanals. Die Notwendigkeit des Kanalbaus mündet nach 100 Jahren in den Kanalausbau für Schiffsgrößen, die die Erbauer nicht erahnen konnten. Wovon sie sich allerdings schon damals leiten ließen, ist das Motto der EXPO 2000, der ersten Weltausstellung in Deutschland, »Mensch- Natur- Technik«. Sie zeigten schon vor einem Jahrhundert Möglichkeiten auf, wie Erbauer von Großprojekten die ökologischen und ökonomischen Herausforderungen der Zukunft aufnehmen und mittragen können. Die Präsentation des Teltowkanals auf der Weltausstellung in St. Louis, USA, im Jahre 1904, setzte die Fachwelt in Erstaunen. Noch heute werden die drei Schleusen des Panamakanals nach deutschem Vorbild betreidelt. Obwohl das Wort Ökologie damals nicht bekannt war, haben die Erbauer danach gehandelt.
     Auch des großen Erfolges 1998/99 im eigenen Haus wegen präsentiert das Heimatmuseum Treptow in Zusammenarbeit mit der Berlin- Brandenburgische Schiffahrtsgesellschaft e.V. im Sommer d.J. die Ausstellung »Der Teltowkanal - Eine Lebensader im Süden Berlins« auf dem Museumsschiff RENATE ANGELIKA im Historischen Hafen Berlin und weiteren Liegeplätzen in Berlin und im Land Brandenburg.
     Karten und Bilder älteren und neueren Datums illustrieren nun ein 212 Seiten umfassendes Buch. Sie sind zugleich eine gute bildliche Orientierung für den Wanderer, der sich aber bereits mit der vorzüglichen Beschreibung der Etappen des fast 38 Kilometer langen Kanals nicht verlaufen kann. Nach fast einem halben Jahrhundert Sperrung dieser Wasserstraße ist sie seit zehn Jahren wieder durchgehend auch für den Wanderer erlebbar und eröffnet faszinierende Möglichkeiten, den Kanal und seine nähere Umgebung wieder in Augenschein zu nehmen. Mit dieser Niederschrift der Kanalerfahrungen kann man sich auf eine interessante, lehrreiche und auch erholsame Entdeckungsreise begeben. Da die Wanderung in Etappen unterteilt ist, und weiter unterteilt werden kann, zumal die öffentlichen Verkehrsmittel oft den Kanal tangieren, sind die Spaziergänge für jedermann durchführbar. Die beschriebenen Wege eignen sich auch für »Drahtesel«.

Bildquellen: Autor

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 5/2000
www.berlinische-monatsschrift.de