HELLERSDORF

Der an der östlichen Stadtgrenze Berlins zum Kreis Strausberg liegende Bezirk H. besteht, als letzte der 3 Ostberliner Bezirksneugründungen nach 1945, seit 1.6.1986 (Beschluß der Stadtverordnetenversammlung Ost-Berlins vom 17.5.1986). Der Bezirk entstand durch die Zusammenführung der bis 1979 zum Stadtbezirk Lichtenberg (Groß-Berlin-Gesetz [1920]Groß-Berlin-Gesetz [1920]), danach zu Marzahn gehörenden Ortsteile H., Kaulsdorf und Mahlsdorf. 1988/89 wurde bei der Anlage des Neubauviertels eine Erweiterung des Stadtgebiets in Richtung Hönow vorgenommen, die 1990 durch den Einigungsvertrag übernommen und endgültig festgeschrieben wurde. Der Bezirk H. nimmt eine Fläche von 2 979 ha ein (1999) und hat damit eine vergleichbare Größe wie die Bezirke Weißensee (3 015 ha) oder Charlottenburg (3 033 ha).
Aus zahlreichen ur- und frühgeschichtlichen Fundplätzen im Bereich der Siedlungen H., Kaulsdorf und Mahlsdorf geht die frühe Besiedlung dieses Raumes hervor. 1375 wird der Ort als Helwichstorf im Landbuch Kaiser Karls IV. erstmals erwähnt. Im 15. und 16. Jh. war das Gebiet offensichtlich unbesiedelt. Erst Ende des 16. Jh. wird eine Schäferei erwähnt. Ein zum Gut Blumberg gehörendes Vorwerk wurde im 19. Jh. zu einem Rittergut ausgebaut, das 1885 von der Stadt Berlin erworben wurde und die hier Rieselfelder anlegen ließ. Aus dieser Zeit haben sich nur die um 1840/50 errichtete Kate an der Alt-Hellersdorfer Straße 9 sowie einige Landarbeiterhäuser erhalten. In Kaulsdorf, Mahlsdorf und H. setzte erst in den 20er Jahren allmählich eine städtische Siedlungstätigkeit ein. In Mahlsdorf entstand die von Bruno Taut (1880-1938) mitgestaltete Arbeitersiedlung Lichtenberger Gartenheim.

Die GroßsiedlungGroßsiedlung H. entlang der U-Bahn-Linie 5 nach Hönow ist die östliche, letzte Erweiterung des Großwohngebietes MarzahnMarzahn. Sie nahm 1981 mit dem Baubeginn von Kaulsdorf-Nord ihren Anfang, wurde ab 1986 zum größten Neubaustandort Ost-Berlins und mit einem zeitweiligen Baustop 1990 zunächst beendet. Bis dahin waren von den geplanten 46 000 Wohnungen 34 000 fertiggestellt. (Nach PETERS, G. 1995/244) 1990 lebten von den etwa 121 000 Einwohnern des Bezirks etwa 90 000 (fast 75 Prozent) im Neubaugebiet. Der Bezirk H. hat als einziger der 3 Ostberliner Neubaubezirke seit 1990 seine Einwohnerzahl erhöht (jeweils am Jahresende):

1990: 120 912    1996: 136 025    1998: 129 752
1994: 136 468    1997: 133 144    1999: 127 816

Dem Charakter des Neubaugebiets entspricht die Altersstruktur der Bevölkerung, die mit der MarzahnsMarzahns und HohenschönhausensHohenschönhausens vergleichbar ist. Ende 1998 waren 21,5 Prozent der Einwohner unter 15 Jahre alt (zum Vergleich: In Berlin insgesamt waren es nur 14,0 Prozent); in der Altersgruppe 6 bis unter 15 lag H. sogar mit 17,1 Prozent Anteil an der Spitze aller Bezirke. In der Altersgruppe 65 und mehr Jahre erreicht der Bezirk H. dagegen mit nur 7,8 Prozent den niedrigsten Anteil aller Berliner Bezirke (zum Vergleich: in Berlin insgesamt 13,8 Prozent).

Schon vor der Vereinigung bestanden Pläne zum Ausbau des Stadtzentrums von H. Im September 1990 wurde ein städtebaulicher Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Favorisiert wurde ein Entwurf, der für das Gebiet direkt am U-Bahnhof H. zunächst eine repräsentative Bebauung vorsah, die jedoch Sparzwängen zum Opfer fiel und seit März 1997 einer stark veränderten Version Platz machen mußte. Am 6.4.1998 erfolgte die Schlüsselübergabe für das neue Rathaus am Alice-Salomon-Platz 3.
Die Verkehrsanbindung des Bezirks H. erfolgt durch die S-BahnS-Bahn und die 1989 nach Hönow (damals Kreis Strausberg) auf 18,3 km verlängerte U-Bahn-Linie 5 mit der CityCity, heute die nach der U 7 (Rudow/Rathaus Spandau) zweitschnellste U-Bahn-Linie. Buslinien führen von den S-Bahnhöfen Kaulsdorf und Mahlsdorf in die neuen Wohngebiete; Omnibusverkehr in die Nachbarbezirke; Straßenbahnverbindungen bestehen nach Köpenick und MarzahnMarzahn.
Der Bezirk H. hat nur wenig Industriebetriebe. Entlang der U-BahnU-Bahn soll eine sog. Kulturschiene entstehen, deren Kernstück das im Februar 1992 eröffnete Kulturforum in der Carola-Neher-Straße 1 bildet. An kommunalen Einrichtungen besteht weiterhin Mangel. Bis Ende der 90er Jahre entstand zwischen Ahrensfelde und der Straße Alt-Biesdorf auf 9 km Länge entlang der Wuhle ein über 400 ha großen Naherholungsgebiet (Landschaftspark Wuhletal), das teils in H., teils in MarzahnMarzahn liegt.

Nach der Wiedervereinigung Berlins wurde auch im Bezirk H. schrittweise die Wohnqualität verbessert. Dächer, Fenster, Balkone, Treppenhäuser und Wohnungen der Plattenbauten wurden erneuert. Seitdem wurden 1,4 Mrd. DM für die Sanierung und Modernisierung aufgewandt. Die sich verändernde Wohnqualität im Bezirk H. spiegelt sich auch in der Bevölkerungsbewegung der 90er JahrenBevölkerungsbewegung der 90er Jahren wider. 1998 verließen zwar 12 593 Personen den Bezirk H., aber 9 042 zogen hinzu; der sog. Fortzugsüberschuß belief sich auf 3 551 Personen (1999 waren es 2 117, 1997 3 115, 1996 1 346 Personen). Demgegenüber hatte H. 1999 einen leichten Geburtenüberschuß 181 und 1998 von 159 Menschen. Zielgebiete des Fortzugs waren 1998: andere Berliner Bezirke (7 519), die neuen Bundesländer (3 728), das Ausland (549) und am Schluß die alten Bundesländer (797). Es zeigt sich, daß ein Großteil der seit 1989 erfolgten Umzüge nicht in die City-Bezirke, sondern in benachbarte Bezirke und ins Umland führten. So zogen von den insgesamt 7 519 Personen, die 1998 aus H. in andere Berliner Bezirke umsiedelten (sog. Binnenfortzüge), allein über ein Viertel (1 990) ins benachbarte MarzahnMarzahn, ferner 1 024 nach Lichtenberg, 911 nach Köpenick und 561 nach Hohenschönhausen. Aber nur 23 Hellersdorfer siedelten 1998 nach Zehlendorf um, 42 nach Schöneberg, 55 nach Tiergarten und 62 jeweils nach Wilmersdorf und Kreuzberg. Den 7 519 Fortzügen in andere Bezirke standen 1998 die 6 880 Zuzüge aus anderen Bezirken gegenüber - darunter allein 1 642 aus Marzahn 1 281 aus Lichtenberg und 693 aus Friedrichshain, aber nur jeweils 21 aus Wilmersdorf und Zehlendorf, 34 aus Schöneberg. Von den 6 880 Zuzügen aus anderen Berliner Bezirken kamen allein 1 642 aus Marzahn, 1 281 aus Lichtenberg und 693 aus Friedrichshain, aber nur jeweils 21 aus Wilmersdorf und Zehlendorf, 34 aus Schöneberg und 44 aus Steglitz. Die Wanderungen zwischen H. und den übrigen Bezirken (sog. Binnenwanderungssaldo) wiesen also 1998 ein Defizit von 639 Personen aus. Zudem fanden 1998 in H. 8 434 Umzüge innerhalb des Bezirks statt. Ende 1999 lebten 3 060 Ausländer in H., das waren 0,7 Prozent der in Berlin lebenden ausländischen Bevölkerung (zum Vergleich: Neukölln 14,7 Prozent, Kreuzberg 11,0 Prozent, Wedding 11,1 Prozent).

Das Gebietsreformgesetz [1998]Gebietsreformgesetz [1998] sieht vor, daß die Bezirke H. und MarzahnMarzahn bis zum 1.1.2001 einen der 12 neuen Großbezirke mit eine Fläche von 6 136 ha und rund 268 000 Einwohnern bilden werden.

ULRICH ECKHARDT, 1986: DIE STADT IST PRÜFSTEIN

"Unter den deutschen Städten ist Berlin eine Werkstatt zur Untersuchung des Überlieferten und zur Entwicklung des Kommenden. Die Geschichte der relativ jungen Stadt spiegelt in Heftigkeit und Schärfe mitteleuropäische und Weltgeschichte. Von den 750 Jahren, die wir im Jubiläumsjahr überblicken, waren 500 Jahre höchst durchschnittlich und 250 Jahre extrem spannungsgeladen, gekennzeichnet von Brüchen und Rissen, Sprüngen und radikalen Ausschlägen, von Gewalttätigkeiten und Herausforderungen. Die Gefühle für die Stadt schwanken zwischen Erschrecken und Bewunderung, Zuneigung und Ablehnung; niemals sind sie gleichgültig. Die Stadt ist Prüfstein; das Mittelmäßige stößt sie ab. Heute steht der Name Berlin für sensible Balance, für Gesprächsbereitschaft und Gedankenaustausch, wie es die angestammte historische Rolle einer Pionierstadt in der Mitte Europas ist."

Quelle: Ulrich Eckhardt: Balance, Gesprächsbereitschaft, Gedankenaustausch. In: Berlin. Lob und Kritik, hrsg. von Walther G. Oschilewski und Bodo Rollka, Berlin 1988, S. 119

Quellen und weiterführende Literatur: Literaturquellen
Herrmann 1987/291-303; Schulz/Gräbner 1987/157; Seyer 1987/106-109; Rach 1990/130-132; Baedeker 1992/477-479; Berlin Handbuch 1993/550-553; Kühne 1993/229; Dehio 1994/224-227; Duwe 1995/36; Peters 1995/242-244; Topographischer Atlas 1995/131; Berliner Zeitung, 6. November 1996; Gaedecke 1996; Statistisches Landesamt Berlin, lfd.; Stadt der Architektur 2000/337-357

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