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Ingrid Wagner
Der Wegbereiter Lichtenbergs

Oberbürgermeister von Lichtenberg Oskar Ziethen (1858–1932)

Liebenswürdigkeit, Strenge, Gerechtigkeit und Großzügigkeit: Mit diesen Eigen- schaften charakterisierten Zeitgenossen den am 7. August 1858 in Stettin geborenen Friedrich Wilhelm Oskar Ziethen. Und sicher war Ziethen ein Organisationstalent, leitete er doch als Amts- und Gemeindevorsteher, Bürgermeister und Oberbürgermeister von 1896 bis 1921 die Geschicke Lichtenbergs in einer Zeit, in der sich der Ort vom Dorf zur Stadt und schließlich zum Bezirk der deutschen Hauptstadt entwickelte.
     Während seiner Amtszeit wurde das Rathaus an der Möllendorffstraße gebaut, das am 11. November 1898 seiner Bestimmung übergeben wurde. In den Folgejahren entstanden ein Elektrizitätswerk, das repräsentative Amtsgerichtsgebäude, der Stadtpark, das Krankenhaus, mehrere Kirchen und höhere Schulen.
     Große Beharrlichkeit bewies Ziethen, als er für Lichtenberg wiederholt (1900, 1902, 1904) die Stadtrechte beantragte und jedes

Oskar Ziethen,
Ölbild von Anna Mannewitz, 1996
mal einen negativen Bescheid erhielt. Diese ablehnende Haltung wurde erst aufgegeben, nachdem er 1905 in einer Denkschrift an den Innenminister die Entwicklung der Gemeinde schilderte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits 55 000 Einwohner und verfügte über Elektrizitäts-, Gas- und Wasserwerk sowie über eine eigene Kanalisation. Aus der unansehnlichen Frankfurter Chaussee war die Frankfurter Allee geworden: »eine Prachtstraße mit Reihenpflaster und einer erhöhten, mit Platanen bepflanzten
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Mittelpromenade«, wie in einem zeitgenössischen Dokument zu lesen war. Ziethens Drängen hatte schließlich 1907 Erfolg. Der Kaiser verlieh das Stadtrecht und gestattete Lichtenberg, aus dem Kreis Niederbarnim auszuscheiden. Der mühsam erkämpfte Status war für Lichtenberg mit der Auflage verbunden, ein Krankenhaus zu errichten. Die Stadt kaufte dafür das nördlich der Frankfurter Allee gelegene Gut des Zimmerermeisters Atzpodien (nach ihm ist eine Lichtenberger Straße benannt) und zwei Morgen des angrenzenden Landes. 1911 erfolgte die Grundsteinlegung, und 1914 wurde das Hubertuskrankenhaus eröffnet.
     Mit der Umbenennung in Oskar-Ziethen-Krankenhaus am 20. Januar 1933 würdigte Lichtenberg die besonderen Verdienste seines Kommunalpolitikers beim Bau dieser Einrichtung.
     Nachdem Lichtenberg das Stadtrecht erhalten hatte, stieg seine Einwohnerzahl rasch an (1908 waren es bereits 70 000), und mit der Eingemeindung von Boxhagen-Rummelsburg 1912 wuchs die Stadt weiter. Schließlich gab Lichtenberg noch unter der Amtsführung Ziethens 1920 seine Selbständigkeit auf und kam als Stadtbezirk zu Berlin.
     Ziethen widmete den größten Teil seines Arbeitslebens Lichtenberg und Berlin. Nach dem Jurastudium war er am Amtsgericht Stettin und beim Magistrat von Greifswald beschäftigt. Im Juli 1892 begann seine Karriere als Kommunalpolitiker: Zunächst
Bürgermeister der Gemeinde Naugard in Pommern, wurde Ziethen im August 1896 zum Gemeindevorsteher von Lichtenberg bei Berlin gewählt. Die Wähler mit seiner Urteils- und Tatkraft überzeugend, wurde er am 13. Juli 1906 erneut in seinem Amt bestätigt und am 31. Januar 1908 einstimmig zum Ersten Bürgermeister der Stadt Lichtenberg gewählt. Am 3. Juli 1911 erhielt Ziethen den Titel Oberbürgermeister, am 5. September 1918 begann nach den Wahlen seine zweite Amtsperiode als oberster Kommunalpolitiker Lichtenbergs. Mit 63 Jahren trat er 1921 in den Ruhestand.
     Bereits während seiner Tätigkeit als Gemeindevorsteher und später als Bürgermeister arbeitete er im Kreistag, im Provinziallandtag und im Zweckverband Berlin mit. Von 1908 bis 1913 war er preußischer Landtagsabgeordneter der freikonservativen Fraktion. Bis 1929 wirkte er noch in der Politik. 1924 wurde er als 100. Stadtältester Berlins geehrt. Ziethen verstarb am 26. Januar 1932 in dem Lichtenberger Krankenhaus, das wesentlich sein Werk war.
     Das gut erhaltene und gepflegte Grab des Lichtenbergers befindet sich auf dem Städtischen Friedhof in der Gotlindestraße.

Bildquelle:
Heimatmuseum Lichtenberg

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© Edition Luisenstadt, 1998
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