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Helmut Caspar
Jungfernbrücke wieder wie neu

Berühmtes Technikdenkmal rekonstruiert

Die Jungfernbrücke (siehe Titelbild), die die Friedrichsgracht mit der Oberwasserstraße in Berlins Mitte verbindet, wurde in zwanzig Monaten erst ab-, dann neu aufgebaut und kann seit Ende März 1999 wieder benutzt werden. Berlin ließ sich die Rekonstruktion dieser einzigartigen Sehenswürdigkeit rund 4,1 Millionen Mark kosten. Alle Arbeiten seien mit dem Landesdenkmalamt abgestimmt worden, erklärte die Bauverwaltung. Die Denkmalpfleger bestanden darauf, daß historische Teile wie der eiserne Klappmechanismus, Räder, Ketten und Roste restauriert und in die altneue Brücke wieder eingefügt wurden. Erneuert wurde auch der Holzbohlenbelag, der wenigstens 200 Jahre halten soll, wie die Bauverwaltung hofft. Die Brücke ruht auf zwei massiven Gewölben aus rotem Miltenberger Sandstein. Die Seitenöffnungen sind mit 6,60 beziehungsweise 3,60 Metern unterschiedlich groß. Die Durchlaßklappen haben eine lichte Weite von 8,70 Metern und sind 4,20 Meter breit. Im Unterschied zur Erbauungszeit vor zweihundert Jahren

bestehen die Pfeiler heute inwendig aus Stahl, dem die Quader nur vorgeblendet sind.
     In der Hauptstadt, die von sich behauptet, mehr Brücken als Venedig zu besitzen, ist die Jungfernbrücke nicht nur die älteste im Original erhaltene Brücke, sondern auch die einzige Klappbrücke. Darstellungen aus dem späten 17. Jahrhundert zeigen noch einen einfachen Spree-Überweg aus Holz, dessen Mittelstück hochgezogen werden konnte. Im Jahre 1798 wurde die inzwischen klapprig gewordene Klappbrücke durch eine elegante Konstruktion aus Holz und Eisen ersetzt, deren Mittelteil mittels Rädern an Ketten hochgezogen werden konnte, um Schiffen die Durchfahrt zu erlauben. Im Zusammenhang mit dem Umbau der Mühlendammschleuse und der Vertiefung des Flußbettes 1937 bis 1939 wurde die Jungfernbrücke unterfangen und neu gegründet. Dabei wurde auch der Kettenzug stillgelegt, so daß seither ein Hochklappen unmöglich ist. Die jetzt abgeschlossene Rekonstruktion der sinusförmig gebauten Zugklappbrücke behebt Sicherheitsmängel, die sich in den vergangenen 60 Jahren eingeschlichen haben. Als sehr kompliziert erwies sich der Abbruch der Brücke bis auf die 1,65 Meter unter Wasser liegenden Unterfangungen aus den dreißiger Jahren. Hier mußten die Widerlager- und Flügelmauern in einer Breite von etwa 60 Zentimetern abgebrochen werden, der Rest blieb erhalten.
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Auf der neuen Gründungsebene wurde Unterwasserbeton eingebracht. Dies taten Taucher, die bereits am Potsdamer Platz Unterwasser- Fundamente hergestellt haben.
     Um den Namen des auch als Fotomotiv beliebten Technikdenkmals in Sichtweite des Gebäudes der ehemaligen Reichsbank, das 1957-1989 Sitz des Zentralkomites der SED war und jetzt zum Außenministerium umgebaut wird, ranken sich verschiedene Legenden. Doch gilt auch hier der Satz »Nichts genaues weiß man nicht«, wie der Berliner sagt. Nur so viel ist bekannt, daß der Name »Jungfernbrücke« erstmals auf einer Karte von 1748 erscheint. Er soll sich auf »Jungfrauen« beziehen, die hier regelmäßig zum Schwatzen zusammenkamen. Eine andere Quelle nennt die Brücke als Standplatz von »leichten Mädchen«. Ganz abwegig scheint die Saga zu sein, daß Bräute vor der Trauung probehalber über die Brücke gehen mußten. Wenn die Bohlen knarrten, und das tun sie heute wie damals, wurde dies als Grund angesehen, an der Jungfernschaft zu zweifeln. Vielleicht stimmt aber die Deutung, der zufolge im 18. Jahrhundert die aus der französischen Kolonie stammenden neun Schwestern Blanchet selbst gefertigte feine Wäsche und Bänder an der Brücke verkauften, wobei die spitzzüngigen Hugenottinnen auch Berliner Neuigkeiten, Klatsch und Tratsch verbreitet haben sollen.
Die »Brückenjungfern« seien mit ihren Textilien so erfolgreich gewesen, daß sich Neider über sie erregten. Ein Vierzeiler jedenfalls behauptete:
     Und wünscht jemand eine Neuigkeit
     gepaart mit Bosheit und mit Tücke,
     dann heißt es in Berlin gleich weit und breit:
     geh zu den Jungfern an die Brücke.

In einem Buch von Heinze, Thiemann und Demps über Berliner Brücken (transpress Verlag 1987) allerdings wird auch diese Version in Zweifel gezogen, weil der Name Blanchet in den Listen der Refugiés nicht vorkommt. Am glaubhaftesten sei daher die Version, daß im »Französischen Hof« gleich bei der Jungfernbrücke zwei »Demoisellen«, zu deutsch Fräuleins oder Jungfern, wohnten, die wunderbare Spitzen in Nadelarbeit herstellten. »Man ging also zu den französischen Jungfern, um Spitzen und Bänder zu kaufen.«

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/2000
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