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Hans-Peter Doege
Zwischen Bolle und Kloster

Ludwig Hoffmanns Schulen in Moabit

Wie in anderen Stadtbezirken, so hat der Stadtbaurat Ludwig Hoffmann (1852-1932) auch in Tiergarten seine architektonischen Spuren hinterlassen, wobei er bis heute vor allem durch seine Schulbauten präsent ist. Allerdings stammt der überwiegende Teil der in Tiergarten befindlichen Schulbauten bereits aus der Ära des Stadtbaurates Hermann Blankenstein (1829-1910), der in den Jahren 1872-1896 als Vorgänger Hoffmanns Stadtbaurat für Hochbau in Berlin war. Blankenstein hatte eine eigene Auffassung von Schulbauten und vermied daher den überladenen Stil der Gründer- und wilhelminischen Zeit. Seine Schulbauten ähneln sich alle wie ein Ei dem anderen: Langrechteckige, mehrflügelige, meist Verblendziegelbauten mit überhöhter Mittelvorlage, in der sich die Aula befindet, und sparsamste Verwendung von Terrakottaverzierungen. Das Rektorenwohnhaus und eine Turnhalle liegen in aller Regel separat an der Straße. Die Schulhäuser sind häufig auf dem Hinterland der Grundstücke errichtet.


Ludwig Hoffmann

 
Die Stadt Berlin braucht neue Schulgebäude

Durch die rasante Entwicklung Berlins, begleitet von einer starken Zunahme der Bevölkerung sowie auch durch Änderungen der Schulformen, so durch die Einführung von Fachschulen und die Beschränkung der Klassenfrequenzen, war es erforderlich, neue Schulgebäude in größerer Zahl zu errichten.

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Fassade der Schule in der Waldenserstraße

 
Ludwig Hoffmann hat in den 28 Jahren seiner Tätigkeit als Stadtbaurat gerade auf diesem Gebiet eine enorme Leistung vollbracht. Durch die dichter werdende Bebauung veränderten sich mit den Grundstücksformen wichtige Grundlagen seines Bauprogramms. Auch legte er Wert darauf, daß sich die Schulgebäude wohltuend

von den mit allerlei baulichen Übertreibungen beladenen Nachbarhäusern abhoben. Er vertrat die Meinung, daß »in dieser äußerlich unangenehm aufgebauschten, größenwahnsinnigen Zeit« die Bauten für die Kinder zwar einfach, aber doch eine ruhige, ordentliche Architektur und helle, freundliche Räume haben sollten.
     Am liebsten waren ihm dabei Grundstücke, die von zwei parallel laufenden Straßen zu betreten waren. Hier baute er das Schulgebäude an die eine und das Wohnhaus an die andere Straße, während die Seitenflügel den Schulhof von den Nachbarhäusern abgrenzten. Wo die Grundstückslage dies nicht zuließ, baute er die Schule auf dem Hinterland, während der Zugang durch an der Straße liegende Wohnhäuser für Schulangestellte erfolgte. So konnte er, ohne die Gesamtkosten wesentlich in die Höhe zu treiben, die Fassaden der Wohnhäuser an der Straßenfront aufwendiger ausführen.

Der erste Schulbau in Moabit: Wiclef-/ Ecke Emdener Straße

Im Bezirk Tiergarten wurden in den Jahren 1901 bis 1915 vier von ihm errichtete bzw. erweiterte Schulen eröffnet. 1899 hatten die Stadtverordneten den Magistrat ersucht, eine höhere Lehranstalt nach Moabit zu verlegen.

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Nach dem Ankauf eines Grundstückes in der Wiclefstraße begann Hoffmann hier seinen ersten Schulbau in Moabit in der Wiclef-/ Ecke Emdener Straße.
     Die Schule bestand aus einem dreiflügeligen, viergeschossigen Schulhaus an der Wiclefstraße und einem dreigeschossigen Lehrerwohnhaus an der Emdener Straße, die sich beide in geschlossener Bebauung befanden. Beide waren als Mauerwerkbauten in Anlehnung an die italienische Renaissance errichtet.
     Das Erdgeschoß wurde mit unregelmäßigen Sandsteinbossen verblendet. Der Mittelteil des 2. und 3. Obergeschosses war großflächig verputzt, war aber an den Ecken durch Quaderung mit dem Sockelgeschoß verbunden. Die verhältnismäßig kleinen Fenster waren zum Teil in Zweiergruppen zusammengefaßt und hatten Rundbogenabschlüsse. Die zu klein erscheinenden Fenster sind für die Schulen Hoffmanns typisch. Mehrfach deswegen kritisiert, konnte er jedoch immer wieder nachweisen, daß die Klassenräume seiner Schulen über ausgezeichnete Lichtverhältnisse verfügten. Alle Treppenhäuser und Gänge waren gewölbeartig ausgeprägt. Das anschließende Konsolen-Hauptgesims trug ein weit vorspringendes Satteldach.
     Als bildhauerischen Schmuck schuf Otto Lessing (1846-1912) eine große Kartusche mit einem Bären, die sich an der Vorderfront des Schulgebäudes im zweiten Obergeschoß befand.

Gemeindeschule in der Wiclefstraße; deutlich zu erkennen die kritisierte Fenstergestaltung

 
Da es sich um eine Schule für Knaben und Mädchen handelte, wurden die Eingänge durch Reliefs gekennzeichnet, die von Hugo Lederer (1871-1940) stammten. Mit diesen beiden Bildhauern hat Hoffmann immer wieder zusammengearbeitet.
     Die Fassade des Lehrerwohnhauses war ähnlich ausgebildet, hatte allerdings hohe Fenster mit Dockenbrüstung und massiver Giebelverdachung und trug über einem breitem Hauptgesims ein weit ausragendes Dach.

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Fassade mit Dachgestaltung der Schule in der Bochumer Straße
Die Gemeinde-Doppelschule in der Waldenserstraße

1902 wurde die 240. und 254. Gemeindedoppelschule (später 90. Volksschule) nach zweijähriger Bauzeit eröffnet. Sie befindet sich in der Waldenserstraße 20-21 (vormals 25-26) auf einem Grundstück von 4625 m2. Die Baukosten betrugen 597000 M. Die um einen großen Hof gruppierte, graue, vierflügelige Anlage wurde als Putzbau ausgeführt. Bei diesem Schulgebäude finden sich Anklänge an die beginnende Moderne. Der Bau ist in den gliedernden Teilen in Sandstein ausgeführt, und sechs durch alle Stockwerke gehende Lisenen gliedern den sonst eigentlich schmucklosen Bau in der Senkrechten. Die hohen, schmalen Fenster sind jeweils in Gruppen zu je vier Fenstern zusammengefaßt. Einziger Blickfang dieses Gebäudes ist das mächtige Portal, welches über Geschosse geht und barocke Reminiszenzen erkennen läßt. Ein kräftiges Hauptgesims trägt ein steiles Satteldach mit Fledermausgauben und Dachreitern.

Schule und Wohnhaus wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und um 1949 abgeräumt.      Ein dahinter liegender Hof dient als Spiel- und Turnhof. Im zweiten Hof befindet sich eine Turnhalle, die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, aber wieder aufgebaut wurde.
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Heute trägt die 8. Grundschule, die unter Denkmalschutz steht, den Namen des Meiereibesitzers Carl Bolle (1832-1910). Der Unternehmer wurde in Berlin als »Bimmel- Bolle« bekannt, als er die Versorgung Berlins mit Milch durch seine Milchwagen schuf. 1910 verkehrten über 250 Bolle-Wagen in der Stadt (Vgl. BM 2/1996).

Doppelschule und Gymnasium in der Bochumer Straße

Ein weiteres Schulgebäude Hoffmanns, für das die Genehmigungen der Vorentwürfe in den Jahren 1904 und 1906 erteilt wurden, konnte im Jahre 1908 endgültig eröffnet werden. Es handelt sich hierbei um die Doppelschule und das Friedrich- Werdersche Gymnasium in der Bochumer Straße. Für diese Anlage zog Hoffmann die Architekten Georg Matzdorff, Otto Stiehl, Ostertag, Seidel und Gerecke hinzu.
     Auch hier findet man wieder eine große, vierflüglige Schulhausanlage, die mit unregelmäßigem Grundriß in geschlossener Bebauung liegt. In der an der Straße liegenden Schule befindet sich das Gymnasium mit den zu beiden Seiten angeordneten Wohnhäusern für die Direktoren der einzelnen Schulen. Es handelt sich um einen Mauerwerkbau, der mit roten Ziegeln verblendet ist. Die Gesimse, Brüstungsfelder und Portale sind in Sandstein ausgeführt.

Die Front ist durch die eng gereihten, vom 1. zum 3. Obergeschoß reichenden Fensterblenden gegliedert und erreicht dadurch eine gewisse Symmetrie. Die oberen Enden der Wandvorlagen und die Brüstungen sind mit Reliefplatten versehen, die von Ignatius Taschner stammen. Zwei Portale mit ziervollen Gewänden und zwei Rundbogentore regeln den Zugang zu den einzelnen Schulen.
     Den Abschluß des Gebäudes bildet ein über dem Hauptgesims befindliches Mansarddach mit Fledermausgauben, geschweiftem Giebel und Uhrturm. In den Seitenflügeln, die die Anlage zu den benachbarten Grundstücken abschirmen, waren die Gemeindeschulen untergebracht, die durch separate Eingänge erreicht werden konnten. Auf dem hinteren Teil des Hofes wurde ein Aulagebäude errichtet - 1937 wurden für die in die Gebäude einziehende Gauß-Ingenieurschule einige Umbauten vorgenommen.
     Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude nur unwesentlich beschädigt. Deshalb fanden hier zahlreiche städtische Institutionen und auch andere Fachschulen eine Unterkunft. Das Gebäude wird auch heute noch genutzt und steht unter Denkmalschutz.
     Für die ursprüngliche 5. Grundschule, die heute nicht mehr als Schule genutzt wird, baute Hoffmann zwischen 1907 und 1908 eine kleine Turnhalle an der Ecke zur Wilsnacker Straße. Sie wird auch heute noch benutzt und steht unter Denkmalschutz.
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Zopfstil-Reminiszenzen in der Zwinglistraße

1909 wurde eine weitere Schule eingeweiht. Es handelte sich um die 246. Gemeindeschule in der Zwinglistraße 25 (37). Auch hier findet man wieder die dreiflüglige, viergeschossige Anlage, bestehend aus einem Haupt- und Quergebäude, verbunden durch einen Seitenflügel und ebenfalls in geschlossener Bebauung. Die Anlage ist in Anklängen an die beginnende Moderne mit Zopfstil-Reminiszenzen ausgeführt. Der Hauptbau liegt an der Straße und ist als Mauerwerkbau, mit Kalkstein verblendet, ausgeführt. Das Erdgeschoß ist mit Sandstein verkleidet, die Wandfelder der oberen Geschosse sind verputzt und werden durch bis zum Dachgesims reichende kannelierte Wandpfeiler gegliedert. Der Bau wird durch ein gebrochenes, steiles Mansarddach mit Gauben abgeschlossen. Von Ignatius Taschner stammen die am obersten Geschoß angebrachten kleinen plastischen Kinderköpfe ebenso wie die über dem Erdgeschoß eingelassenen Reliefs spielender Kinder. Es wurden rechteckige Sprossenfenster eingebaut, der Eingang zum Schulgebäude ist schlicht gehalten. Im zweiten Hof befindet sich ein Turnplatz.
     Heute ist hier die 11. Grundschule untergebracht, die den Namen Wartburgschule trägt. Dieser Name nimmt Bezug auf die umliegenden Straßennamen, die die Namen von religiösen Reformatoren tragen.

Gegenüber diesem Schulgebäude findet man in der Zwinglistraße 2 das Direktorenwohnhaus der damaligen Kirschner- Oberrealschule, die von Hoffmann zwischen 1913 und 1915 umgebaut und erweitert wurde. Benannt war die Schule nach dem langjährigen Berliner Oberbürgermeister Martin Kirschner (1842-1912), der mit seiner Familie in Moabit gewohnt hatte. Ursprünglich stand die zu dem Direktorenhaus gehörende, 1876 errichtete Schule in der Turmstraße 75. Im Anschluß an dieses Gebäude, also nach hinten hinaus, auf das bereits 1907 erstandene Grundstück Zwinglistraße 2, errichtete Ludwig Hoffmann, im Zusammenwirken mit Georg Matzdorff, Otto Stiehl und den Architekten Speer und Gerecke und wieder in eine geschlossene Bebauung hinein, die Gebäude der Kirschnerschule, so daß die gesamte Anlage beider Schulgebäude einen großen Hof umschließt. Der Bau, auch hier in Anklängen an die beginnende Moderne mit Zopfstil- Reminiszenzen versehen, ist in Mauerwerk ausgeführt und mit roten Ziegeln verblendet. Der Sockel ist bei allen Schulteilen mit Werkstein belegt. Die viergeschossige Fassade hinter der Zwinglistraße ist mit Muschelkalk verblendet, die Wandfelder sind mit roten Ziegeln ausgelegt. Im Erdgeschoß findet man Streifenquaderung mit Gesimsabschluß. Das 1. und 2 Obergeschoß sind durch ionische Halbsäulen und Pilaster gegliedert; die Brüstung zwischen den Rechteckfenstern ist mit ornamentalem Schmuck versehen.
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Ein steifes Satteldach mit Fledermausgauben liegt über einem massige Gebälk, das niedrige 3. Obergeschoß ist durch breite Lisenen gegliedert.
     Jeder Flügel der Schulanlage ist zum großen Innenhof hin mit einem Mittelrisalit gebaut, der Südflügel, der Neubau also, trägt einen kleinen Uhrturm, die Fassadengliederung der Hofseite ist durch Lisenen gegliedert und trägt gereihte Rechteckfenster. Die Fassaden der beiden Seitenflügel an der Turmstraße sind dem Altbau angepaßt und mit Ziegeln verblendet.
     Das an der Zwinglistraße erbaute Direktoren-Wohnhaus hat im Erdgeschoß einen Sandsteinsockel. Die Fassade der zwei Obergeschosse besteht aus Backstein, die durch ionische Dreiviertelsäulen großer Ordnung zusammengefaßt sind. Über dem stark betonten Hauptgesims erhebt sich das Dach mit Gaubengesims.
     Die im Zweiten Weltkrieg entstandenen leichten Schäden wurden behoben, und auch die völlig zerstörte Aula wurde wieder aufgebaut. Heute befinden sich hier die Fontane- Realschule, benannt nach dem Schriftsteller Theodor Fontane (1819-1898), sowie Teile der Ulrike- von-Levetzow- Schule, benannt nach Ulrike von Levetzow (1804-1899), die durch ihre Beziehung zu Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) bekannt wurde.
     Das ehemalige Direktoren- Wohnhaus dient dem Heimatmuseum von Tiergarten und einigen Mietern als Domizil. Die von Ludwig Hoffmann in Tiergarten gebauten Schulen, die heute noch als Schulen genutzt werden bzw. als Gebäude existieren, befinden sich auf relativ engem Raum in Moabit, so daß man sie bequem bei einem Spaziergang besichtigen kann.
Literatur:
Bau- und Kunstdenkmäler Berlins: Bezirk Tiergarten von Irmgard Wirth Berlin 1955
Ludwig Hoffmann in Berlin von Hans J. Reichhardt u. a. 1986 Berlin
Berlin und seine Bauten 1991; Band V c: Schulen
Wasmuths Monatshefte für Baukunst 2. 1915/16, S. 486-490, Tafel 17 (Verf. Ludwig Hoffmann)
Moabiter Chronik von Wilhelm Oehlert 1910
Wasmuths Monatshefte für Baukunst 11. 1927, S. 322, 324
Neubauten 9. 1910. S. XI. Tafel 21-24
Fritz Stahl: Ludwig Hoffmann, 14. Sonderheft der Berliner Architekturwelt Berlin 1914, S. 74-76
Neudeutsche Bauzeitung 1909, S. 542, 547-551, 553 (Verf. Walter Curth Behrendt)
Der Baumeister 1. 1902/03. S. 45-47, Tafel 9-12
Architektonische Rundschau 1902, S. 20
Zentralblatt für das deutsche Baugewerbe 1903, S. 3
Neubauten 3. 1904, S. IX-X, Tafel 25-28
Berliner Architekturwelt 5; 1903, Abb. 129-139
Der Baumeister 2; 1903/04, S. 111-114, 117 (Verf. Max Rapsilber)
Das Schulhaus 1902, S. 65, 85 (Verf. Zetsche)
Neubauten 3. 1904 S. VI Tatet 14-18

Bildquellen: Autor

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 4/2000
www.berlinische-monatsschrift.de