130 Geschichte und Geschichten | Berliner Fußball |
Hans Aschenbrenner
Union 92 und Viktoria 89 werden deutsche Fußballmeister Etwas verspätet, verglichen mit einigen anderen europäischen Ländern, begann sich der Fußball auch in Deutschland vor hundert Jahren durchzusetzen. Am 28. Januar
1900 versammelten sich in der Gaststätte »Mariengarten« zu Leipzig 86 Vereine und
Verbände zum »1. Allgemeinen deutschen Fußballtag« und beschlossen mit 64 : 22 Stimmen die Gründung eines überregionalen Verbandes, des Deutschen Fußball- Bundes (DFB).
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Die Idee, einen deutschen Fußballmeister zu ermitteln, hatte die Gemüter schon Jahre bewegt. Zu Veranstaltern solcher »Titelkämpfe« hatten sich mehrfach lokale Verbände aufgeschwungen. So konnte zu jener Zeit, als der DFB das Licht der Welt erblickte, der »Berliner Fußball-Club Germania 1888« (heute offiziell anerkannt als der älteste Fußballklub Deutschlands; spielt in der Bezirksliga) schon auf einen Sieg verweisen: in der 1890 vom Berliner »Bund Deutscher Fußballspieler« durchgeführten »deutschen Meisterschaft« gegen fünf Berliner Kontrahenten. Germania 88 hat diesen Titel im Jahr darauf verteidigt.
Einige Jahre später, 1893/94, schrieb eine weitere Berliner Gründung, der »Deutsche Fußball- und Cricket-Bund«, eine wiederum »deutsche Fußballmeisterschaft« aus, die schließlich dem »Berliner Tor- und Fußball-Club Viktoria 1889« zugesprochen wurde. Gegner sollte der »FC Hanau 1893« sein, dem als einzigem Nicht-Berliner Verein in diesem Verband dabei wohl so etwas wie die Rolle eines Feigenblattes zugedacht war. Die Hanauer erwiesen sich aber als Spielverderber. Als definitiv Berlin und nicht wie gewünscht Hanau zum Austragungsort bestimmt wurde, verzichteten sie wegen zu hoher Reisekosten, so daß das Spiel gegen Viktoria 89 erst gar nicht zustande kam. Die Berliner wurden am grünen Tisch zum »Meister« erklärt. |
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Erste deutsche Meisterschaften
In der Folgezeit trat das Bedürfnis nach, nennen wir sie ruhig so, echten deutschen Meisterschaften immer stärker hervor. Hinzu kam, daß nicht wenige andere Verbände in Europa zu dieser Zeit schon ihre Titelträger kürten. Als der DFB dann im Jahre 1902 beschloß, den Titel eines deutschen Meisters auszuschreiben, war er dazu als eine gesamtdeutsche Organisation hinreichend legitimiert.
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mittels Tauen wurde das Spielfeld abgesperrt, auf Tellern sammelten Ordner von den Zuschauern das Eintrittsgeld ein.
Berliner Vereine werden Meister Berlin hat neben Leipzig und Karlsruhe in der Zeit von 1903 bis 1914, das ist nun kein bißchen übertrieben, im Meisterschaftsgeschehen sehr erfolgreich mitgemischt. Von 1915 bis 1919 wurden, bedingt durch den Ersten Weltkrieg, im nationalen Rahmen keine Titelträger ermittelt.
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Der Berliner Verein Viktoria 89 wurde 1908 und 1911, also gleich zweimal, deutscher Fußballmeister. 1907 und 1909 gelang der Viktoria gleichfalls der Sprung bis ins deutsche Endspiel, aber da war man schließlich unterlegen, was aber immerhin die Vizemeisterschaft bedeutete. Das kann rundum als eine gute, eine Erfolgsstrecke bezeichnet werden, die überaus respektabel ist. Bereits 1904 war im übrigen Britannia Berlin, das sollte in diese Bilanz durchaus mit einbezogen werden, eigentlich auch schon bis ins Endspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft vorgedrungen.
Das Finale gegen den VfB Leipzig in Kassel kam nicht zustande, weil der Karlsruher FV erfolgreich gegen das mit 1 : 6 gegen Britannia verlorene Vorrundenspiel Protest einlegte. Dieses Spiel hatte in Berlin (auf der Friedenauer Radrennbahn) stattgefunden - ein Fehler des Bundesausschusses, der es versäumt hatte, einen neutralen Spielplatz auszuwählen. Im Ergebnis des Protestes kam es zu dem Beschluß, 1904 kein Endspiel auszutragen, mithin keinen Meister zu ermitteln. Nicht gerade ein Ruhmeszeichen war es, daß zwei angetretene Mannschaften durch Umstände solcher Art um eine große Chance gebracht wurden, und das gleich im zweiten Jahr der neuen Meisterschaften. |
Spielkultur und Finessen
Den damals erfolgreichsten Mannschaften kann ohne weiteres bescheinigt werden, spielkulturell das Stoß- und Laufspiel ihrer Zeit schon beträchtlich hinter sich gelassen zu haben. So war z. B. in den Berichten über das deutsche Endspiel von 1905 zu lesen, daß für den Gewinn der Meisterschaft durch den Berliner Verein Union 92 laut Augenzeugen das bessere und durchgreifender ausgebildete Zusammenspiel ausschlaggebend gewesen war. Dabei hatte man sich den Luxus erlaubt, in einem so wichtigen Spiel die von Germania 88 übergewechselte Torwartkoryphäe Eichelmann wegen »Verletzung der Trainingsvorschriften« nicht aufzustellen, statt dessen auf den Torhüter der dritten Mannschaft zurückzugreifen.
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Auf Viktoria 89 - die Mannschaft war durch Siege in Höhe von 7 : 0 gegen den VfB Königsberg und 4 : 0 gegen Wacker Leipzig ins Endspiel vorgestoßen, hatte zudem im Berliner Pokal Union 92 glatt mit 4 : 1 bezwungen - wartete als Gegner die Elf der Stuttgarter Kickers, die erstmals in den Mauern Berlins weilte. Austragungsort war der Germania-Sportplatz in Tempelhof, wo alles einfach angelegt war - keine Tribüne, kein festliches Gepräge, einfachste Umkleideräume. Vor 2000 Zuschauern siegte Viktoria schließlich mit 3 : 0 Toren.
Die Tatsache, daß die Terminkalender heute unvergleichlich enger geworden sind, macht es für uns absolut unverständlich, |
warum damals am Tage des Endspiels, es war Pfingstsonntag, in Wien ein Fußball- Länderspiel zwischen Deutschland und Österreich ausgetragen wurde, das, ohne die am Meisterschaftsfinale beteiligten Spieler, mit 2 : 3 verlorenging. Nur wenige Wochen zuvor war im übrigen eine deutsche Nationalmannschaft erstmals überhaupt zu einem Länderspiel angetreten und hatte in Basel gegen die Schweiz mit 3 : 5 Toren verloren.
Für Viktoria 89 ging es am 4. Juni 1911 (traditionsgemäß war das Endspiel wieder auf den Pfingstsonntag anberaumt) noch einmal um den ganz großen Titel. Gegner auf dem Dresdener Sportplatz der Hygiene- Ausstellung war der VfB Leipzig. |
Titelbild einer damals renommierten Sportzeitung: Die deutsche Mannschaft bedrängt das Tor der Ungarn im Münchener Länderspiel am 17. Dezember 1911. Ganz vorn (weißes Hemd) Mittelstürmer Worpitzky von Viktoria 89. Zweifacher Torschütze im Endspiel um die deutsche Meisterschaft 1911 gegen den VfB Leipzig, erzielte er auch gegen Ungarn einen Treffer. Allerdings nur den Ehrentreffer, denn die Magyaren hatten am Ende die Nase mit 4 : 1 Toren vorn. |
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12000 Zuschauer bildeten die größte Kulisse, die ein Fußballspiel in Deutschland bis dahin je erlebt hatte. Beides waren zweifellos für damalige Verhältnisse gestandene Mannschaften. Leipzig hatte in der Vorrunde den Vertreter Südostdeutschlands (Forst) knapp mit 3 : 2 bezwungen, besiegte dann in der Zwischenrunde den als stark eingeschätzten süddeutschen Meister Karlsruher FV in Frankfurt a. M. mit 2 : 0.
Der Berliner Meister Viktoria gewann sein Vorrundenspiel gegen den Vertreter des Nordostens (Tilsit) kampflos, da dieser nicht antrat. In der Zwischenrunde konnte der norddeutsche Meister Holstein Kiel der Energie der Hauptstädter nicht widerstehen, die dieses Spiel, das in Hamburg stattfand, klar mit 4 : 0 Toren für sich entschieden. Der VfB Leipzig konnte in Bestbesetzung auflaufen und wollte natürlich den Titel, aber die Viktoria aus der Reichshauptstadt bestand nicht aus Grünschnäbeln - im Gegenteil. So jedenfalls kann man es in der Chronik »Ein Jahrhundert VfB Leipzig. 1893/1993« nachlesen. In der Tat, Viktoria war ganz einfach besser, ließ den VfB Leipzig nie richtig aufkommen und gewann 3 : 1. Die Messestädter haben, was angesichts ihrer damals über Jahre hinweg gezeigten Spielstärke nicht verwunderte, die Niederlage gegen die Berliner Viktoria gut verdaut; sie wurden 1913 selbst wieder deutscher Meister und 1914 Vizemeister. |
Berliner im Nationaldreß
Verdienter Lohn für die Berliner war, daß für das am 18. Juni 1911, also nicht lange nach dem Titelgewinn, ausgetragene Länderspiel gegen Schweden in Stockholm (Deutschland gewann mit 4 : 2 Toren) der Läufer Hunder und die Stürmer Dumke und Worpitzky nominiert wurden. Es war im übrigen selbstverständlich, daß in diesen Jahren immer wieder auch Spieler der Berliner Spitzenklubs in die Nationalmannschaft berufen wurden. Das zeigt, die Berliner blieben in den folgenden Jahren am Ball, auch wenn ein ganz großer Erfolg fortan auf sich warten lassen sollte.
Bildquelle: Sportmuseum Berlin |
© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 4/2000
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