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Gerhard Keiderling
Es herrschte das Prinzip der Einstimmigkeit

Die Alliierte Kommandantur 1945-1948

Die Londoner Protokolle der Europäischen Beratungskommission (European Advisory Commission- EAC), einem von den Außenministern der UdSSR, der USA und Großbritanniens im Oktober 1943 in Moskau zur Vorbereitung der Nachkriegsordnung gebildeten Gremium, sahen die Aufteilung Deutschlands in Zonen und ein Sondergebiet von Groß-Berlin sowie die Errichtung eines alliierten Kontrollapparates in Deutschland vor. Bezüglich Berlin hieß es übereinstimmend im Protokoll über die Besatzungszonen vom 12. September 1944 und im Abkommen über den Kontrollmechanismus vom 14. November 1944:
     »Eine Interalliierte Regierungsbehörde (hier nach russischer Schreibweise: Komendatura), bestehend aus drei Kommandanten, die jeweils von ihren entsprechenden Oberkommandierenden ernannt worden sind, wird gegründet, um eine gemeinsame Verwaltung des Groß- Berliner Gebietes zu erreichen.«1)
     Die Krim- (Jalta-) Konferenz der Regierungschefs der drei alliierten Mächte

vom Februar 1945, die die EAC- Abkommen bestätigte, forderte Frankreich auf, sich als viertes Mitglied am Kontrollsystem von Deutschland zu beteiligen. Entsprechende Ergänzungsprotokolle gab es am 1. Mai und am 26. Juli 1945.

Erst drei, dann vier Sektoren

Die Beschlüsse über die Zoneneinteilung und das Kontrollsystem teilten die vier Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen in Deutschland auf ihrem Treffen in Berlin- Wendenschloß am 5. Juni 1945 dem deutschen Volke mit. Am 29. Juni 1945 vereinbarten Vertreter der amerikanischen, britischen und sowjetischen Oberkommandos in Berlin, den Rückzug der während der Kampfhandlungen auf das Gebiet der künftigen sowjetischen Besatzungszone vorgedrungenen angloamerikanischen Truppen vom 1. bis 4. Juli 1945 vorzunehmen. Gleichzeitig sollten westliche Truppenverbände in Berlin einrücken und die ihnen zugewiesenen Besatzungssektoren übernehmen. Die sowjetischen Truppen, die seit April 1945 ganz Berlin besetzt hatten, zogen sich vereinbarungsgemäß auf die acht Ostberliner Stadtbezirke zurück. Die Festlegung des französischen Sektors erfolgte erst am 30. Juli 1945 auf der 1. Sitzung des Alliierten Kontrollrates; Großbritannien hatte aus seinem ursprünglichen Sektor die Verwaltungsbezirke Wedding und Reinickendorf abgetreten.

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Am 11. Juli 1945 fand in der sowjetischen Zentralkommandantur in der Luisenstraße die konstituierende Sitzung der Interalliierten Militärkommandantur für Groß-Berlin statt.2) Es nahmen daran teil: für die UdSSR Generaloberst Alexander V. Gorbatow, für die USA Generalmajor Floyd L. Parks, für Großbritannien Generalmajor Lewis D. Lyne und für Frankreich Brigadegeneral Geoffrey de Beauchêsne. Ab der 3. Sitzung am 25. Juli 1945 tagte man in Berlin- Dahlem, Kaiserswerther Straße 16-18 (USA- Sektor).
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Auf der 4. Sitzung vom 1. August 1945 kam man überein, »daß das auf den Grundsätzen der Gleichberechtigung zusammengesetzte Organ der vier Alliierten zur Verwaltung des Territoriums von Groß-Berlin fernerhin >Die Alliierte Kommandantur der Stadt Berlin< heißen wird.«3)

Monatlich wechselt der Vorsitz

Die vier Stadtkommandanten, die ihrerseits dem jeweiligen Besatzungssektor vorstanden, bildeten gemeinsam die Alliierte Kommandantur (Komendatura), welche alle grundsätzlichen Fragen der Verwaltung und Kontrolle Berlins beriet und entschied. Wie im Kontrollrat wechselte monatlich der Vorsitz auch auf allen unteren Ebenen. Die Alliierte Kommandantur erließ Anordnungen und Mitteilungen an den Oberbürgermeister und an den Magistrat von Groß-Berlin in Form von Befehlen (Allied Kommandatura Berlin/Order - BK/O). Es herrschte das Einstimmigkeitsprinzip, d. h. eine Seite konnte durch Einspruch (Veto) die Beschlussfassung bzw. Ausführung von Befehlen verhindern. Die Alliierte Kommandantur trat in der Regel dreimal im Monat - zu Beginn, zur Mitte und am Ende - zu Sitzungen zusammen. Die Zahl der Sitzungen betrug 1945: 22, 1946: 34, 1947: 25 und 1948: 12.
     Als ständig arbeitendes Organ wirkte der Ausschuss der Stabschefs. Über vier Verbindungsoffiziere lief die Verbindung zur Stadtverwaltung.

Auf der unteren Ebene arbeiteten 21 Fachkomitees (Committees) mit ihren Unterkomitees (Sub- Committees); ihnen oblag die direkte Anleitung und Überwachung der Magistratsabteilungen. Die Befehle und Anordnungen wurden im »Amtsblatt der Alliierten Kommandatura Berlin« (Juli 1947 - Februar 1948) bzw. im »Verordnungsblatt für Groß-Berlin« (1945-1948) publiziert.

Die Stadtkommandanten

Sowjetunion:
Generaloberst A. W. Gorbatow
     11. Juli 1945-18. Oktober 1945
Generalleutnant A. A. Smirnow
     18. Oktober 1945-2. April 1946
Generalmajor A. G. Kotikow.
     2. April 1946-7. Juni 1950

Vereinigte Staaten von Amerika:
Generalmajor Floyd L. Parks
     4. Juli 1945-6. September 1945
Generalmajor James M. Gavin
     6. September 1945-11. Oktober 1945
Generalmajor Ray W. Barker
     11. Oktober 1945-7. Mai 1946
Generalmajor Frank A. Keating
     7. Mai 1946-13. Mai 1947
Brigadegeneral Cornelius E. Ryan
     13. Mai 1947-23. September 1947
Brigadegeneral William Heskath
     23. September 1947-1. Dezember 1947
Oberst Frank L. Howley
     1. Dezember 1947-1. September 1949

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Großbritannien:
Generalmajor Lewis D. Lyne
     11. Juli 1945-30. August 1945
Generalmajor Eric P. Nares
     30. August 1945-13. Juni 1947
Generalmajor Edwin O. Herbert
     13. Juni 1947-23. Januar 1949
Frankreich:
Brigadegeneral Geoffrey de Beauchêsne
     11. Juli 1945-12. März 1946
Brigadegeneral Charles J. M. A. Lançon
     12. März 1946-4. Oktober 1946
Brigadegeneral Jean Ganeval
     4. Oktober 1946-5. Oktober 19504)
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Der aufkommende Kalte Krieg beeinträchtigte die Arbeitsweise der Alliierten Kommandantur. In Grundsatzfragen, wie die Zulassung der SED im Frühjahr 1946, die Bestätigung der Wahl Ernst Reuters zum Oberbürgermeister im Sommer 1947 oder die Durchführung des von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Gesetzes über Konzernenteignung, gab es immer weniger eine gemeinsame Regelung. Manchmal wurde der Koordinierungsausschuss des Alliierten Kontrollrates zur Vermittlung angerufen. Gemäß einem solchen Kompromiss wurden Ende Mai 1946 sowohl die SED als auch die wiedergegründete SPD in allen Sektoren zugelassen. Die Stadtkommandanten gingen mehr und mehr dazu über, in ihren Sektoren nach eigenen Befehlen zu verfahren.

Das Ende der Sitzungen

Als die drei Westmächte im Frühjahr 1948 die Gründung eines westdeutschen Staates vorbereiteten, provozierten sie das Ende des alliierten Kontrollsystems. Am 20. März 1948 fand die letzte Sitzung des Alliierten Kontrollrates (vgl. BM 3/98) statt. Die 93. Sitzung der Alliierten Kommandantur vom 16. Juni 1948 brachte auch diesem Organ das Ende. Nach 13 Stunden verließ der US- Stadtkommandant Oberst Howley gegen Mitternacht mit der Bemerkung, er sei müde, den Saal.

Der sowjetische Vertreter, Oberst A. I. Jelisarow, protestierte gegen diese Handlungsweise und verließ kurz darauf ebenfalls den Saal. Die zurückgebliebenen Vertreter Großbritanniens und Frankreichs machten Jelisarow für das Ende der Sitzung verantwortlich, weil er keinen nächsten Termin genannt hätte.

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Das wäre doch wohl die Sache des Vorsitz führenden französischen Kommandanten General Jean Ganeval gewesen. Am nächsten Tag erklärten westalliierte Sprecher, die Sowjets hätten die Kommandantur gesprengt. Wenige Tage später wurde nach der sowjetischen Anordnung, die als Reaktion in ihrer Zone eingeführte neue Währung auf ganz Berlin anzuwenden, die westdeutsche Währungsreform auch auf die Westsektoren Berlins ausgeweitet.
     Auf der letzten Sitzung der Stabschefs am 1. Juli 1948 stellte für die sowjetische Seite Oberst M. I. Malinin fest, dass auf Grund des Verhaltens der Westmächte »die Alliierte Kommandantur von Berlin ihre Tätigkeit faktisch eingestellt hat«.5) Die Sowjetunion zog sich aus dem Gebäude der Alliierten Kommandantur in der Kaiserswerther Straße zurück und holte dort am 13. August 1948 auch ihre Flagge ein.

Quellen und Anmerkungen:
1 Berlin - Quellen und Dokumente 1945-1951. Hrsg. im Auftrage des Senats von Berlin, 1. Halbband, Berlin 1964, S. 41 und 48
2 Siehe Gerhard Keiderling: Die Alliierte Kommandantur der Stadt Berlin. Von der EAC 1944/45 bis zum Ende der Viermächteverwaltung 1948, in: Jahrbuch für Geschichte, Bd. 35, Berlin 1987, S. 565-615

3 Die Berliner Konferenz der Drei Mächte. Der Alliierte Kontrollrat für Deutschland. Die Alliierte Kommandantur der Stadt Berlin. Sammelheft 1, 1945, Berlin 1946, S. 90. Offenkundig passte sich die Kommandantur mit der Umbenennung der seit Mai 1945 geltenden amtlichen Bezeichnung »Magistrat der Stadt Berlin« an. Durch die von der Alliierten Kommandantur erlassene »Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin« vom 13. August 1946 erhielt die aus den Oktoberwahlen 1946 hervorgegangene Stadtverwaltung den Namen »Groß-Berlin«. Während nach der Spaltung die West- Berliner Verwaltung auf Grund der »Verfassung von Berlin« vom 1. September 1950 sich als »Land Berlin« betrachtete, hielt die Ost- Berliner Verwaltung an dem Namen »Magistrat von Groß-Berlin« bis 1977 fest und nannte sich danach »Magistrat von Berlin, Hauptstadt der DDR«. Die im Dezember 1948 neu etablierte Dreimächtekommandantur für West-Berlin führte bis zu ihrer Auflösung am 2. Oktober 1990 die englisch- sprachige Bezeichnung »Allied Kommandatura Berlin«.
4 Bei der Amtsdauer der Kommandanten gibt es geringfügige Abweichungen zwischen den meist nicht vorliegenden Ernennungsbzw. Abberufungsbefehlen und der offiziellen Verabschiedung in der Alliierten Kommandantur
5 Tägliche Rundschau (B), 2. Juli 1948

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 12/2000
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