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Klaus Duntze
In der Zeit aus der Zeit

Friedrich Wilhelm IV. und seine Gärten

Seiner Mutter, der Königin Luise (1776-1810), galt er als schwieriges Kind. Aus seiner Zeit träumte er sich hinweg nach Borneo, nach Siam, ins Mittelalter. König ist er geworden, aber wäre gern ein anderer gewesen: »Wenn wir als Söhne eines einfachen Beamten zur Welt gekommen wären, so wäre ich Architekt geworden, Wilhelm Unteroffizier, Albrecht ein Trinker und Karl wäre ins Zuchthaus gekommen.«1) Von Friedrich Wilhelm (1795-1861) ist die Rede, der als der Vierte dieses Namens von 1840 bis 1858 König von Preußen war.
     Ein frommer Monarch, ein kunstbesessener; schon als Kronprinz umgab er sich mit den ersten Künstlern seines Landes, mit Schinkel (1781-1841), Lenné (1789-1866), Persius (1803-1845), Stüler (1800-1865), Rauch (1777-1857) und Krüger (1797-1857), um die Orte und Landschaften seines Reiches zu verschönern, die Natur in der Überhöhung zu sich selbst zu bringen, die Städte zu ordnen und zu zieren durch Architektur, oft selbst entworfene, und durch Stadtgrundrisse, deren Muster er den Planern in die Entwürfe zeichnete.

Als Heranwachsender hatte er an den Freiheitskriegen gegen Napoleons Frankreich teilgenommen, persönlich tapfer und unerschrocken, aber zeitlebens erfüllt von den verstörenden Schrecken des Krieges - ein Friedenskönig wollte er sein, eins mit seinem Volke, dessen Liebe er mit unverbrüchlicher königlicher Treue zu vergelten gelobte.
     Doch auf das Volk schossen seine Soldaten 1848 in den Straßen von Berlin.


Der Neckname »Butt« begleitete Friedrich Wilhelm IV. von Jugend an, er hat ihn wie hier (1822) oft selbstironisch in eigenen Zeichnungen variiert

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Darüber ist er wohl nicht hinweggekommen, über dieses Menetekel seines politischen Scheiterns; ein mittelalterlicher Ständestaat ließ sich nicht mehr restaurieren mit dem selbstbewussten Bürgertum, der erwachenden proletarischen Arbeiterschaft. »Der ungeheure Fehler des so klugen und auf seine Art so aufrichtig freisinnigen Königs bestand darin, daß er diesen Wandel der Zeiten nicht begriff und ... nur sein Ideal, aber nicht die Ideale seines Volkes verwirklichen wollte.«2)
     Acht Jahre in diesem Zwiespalt zwischen Volk und Gottesgnadentum - daran erkrankte er so sehr, dass er seinem Bruder Wilhelm (1797-1888), dem »Kartätschenprinzen« der Revolutionsjahre, die Regentschaft übergeben musste. 1861 war es dann zu Ende, Lindstedt wurde das ersehnte,
kaum genutzte Refugium hinter dem Neuen Palais von Sanssouci mit seiner doppelten Terrasse, wo die letzten Sonnenstrahlen den todkranken Monarchen erwärmten.
     Ein tragischer Regent, zerrissen zwischen seinem frommen Pflichtbewusstsein und einer politischen, sozialen Realität, der mit Gesellschaftsmodellen der Vergangenheit nicht mehr beizukommen war. Friedrich Wilhelms Bilder, Fantasien, seine »Sommernachtsträume« entwarfen eine ideale Gesellschaft in einem Friedensstaat, Mensch und Natur versöhnt in einem Gartenland (nicht ohne die Mittel der Moderne: Eisenbahnen durch Preußen, Dampfmaschine für die Wasserspiele von Sanssouci, Zentralisierung der Wohlfahrt im »Schwanenorden«), aber wer will auf ihn hören?
Das nach Ideen des Königs, Persius` und Stülers 1845 -1845 ausgeführte Diakonissenkrankenhaus Bethanien in einer Federzeichnung zum 50-Jahre- Jubiläum 1897
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Die Sakrower Heilandskirche in einem Aquarell von Ferdinand Marohn um 1845, ein Jahr nach ihrer Einweihung
»Ich will eine ständische Verfassung, die nach den Bedürfnissen und der zeitgemäßen Entwickelung ihrer weiteren Ausbildung entgegenreift. Ich will ohne Stände gar nicht regieren; denn unter ihrer Mitwirkung kann ich nur das Glück Meines Volkes fördern, und wie dieses das innigste Streben Meines Herzens ist, so liegt darin auch die zweckdienliche, weitere Entwickelung und Ausführung des ständischen Lebens.«3) Freunde, Fachleute, wohlmeinende Kritiker in Politik und Wissenschaft, in Kunst und Kirche treten ihm entgegen, ringen ihm Kompromisse ab, die Todesstöße für seine Ideen bedeuten, sein Volk, sein geliebtes Volk stellt sich aufrührerisch gegen ihn, und alle Erklärungsversuche - Verblendung, Verhetzung, Verleumdung -, sie bleiben doch vorgeschoben vor die Einsicht in das Unzeitgemäße seiner Visionen.
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Friedrich Wilhelm IV. in den viel zu großen Schuhen Friedrichs II. Die Karikatur von 1842 führte zur Einschränkung der gerade gnädig gewährten Freiheit bildlicher Darstellung
Zerfall des herrscherlichen Willens, Zerfall der Gesundheit des Leibes und der Seele.
     Aber sie sind eingegangen in das Land, seine Visionen. »Aufschmückung der Landschaft« hat er sich vorgenommen in der Zusammenarbeit mit Schinkel, Stüler, Persius und Lenné und all den bildenden Künstlern, wobei Schmuck mehr ist als Ästhetik, sie ist gleichbedeutend mit geordneter Welt, Versöhnung von Himmel und Erde im Menschenwerk, Paradies, Elysium, Arkadien, und wie die Bildworte für solches Einvernehmen alle heißen mögen. Bis heute, trotz aller Kriegs- und Friedenszerstörungen, ist dieses Berlin- Potsdamer Gartenreich zu erfahren, zu erlaufen, zu erleben in seiner herzandringenden Schönheit. Mit welcher sensiblen Zielsicherheit hat der König selbst die Orte bestimmt, die die Natur überhöhen und überleuchten sollen: Die Orangerie über Sanssouci -
»Bei Nichtgehorsam der Realität wurden Gewaltmaßnahmen eingesetzt, Entlassung, Militär, Geheimpolizei«4), aber damit lässt sich nicht, nicht mehr regieren: alles ist Abgesang, nur noch Abgesang nach der Revolution, nach dem Ritt mit der Kokarde, nach der oktroyierten Verfassung, nach der Ablehnung der Kaiserkrone. Abgesang, Zerfall der Pläne und Visionen, Torso der Triumphstraße zu Ehren Friedrichs II. (1712-1786, König ab 1740) und zu Ehren des Exekutors der badischen Revolution, Prinz Wilhelm, das Belvedere auf dem Pfingstberg, die Heilandskirche zu Sakrow, die Friedenskirche mit dem Marly- Garten und der frühe Charlottenhof - sein Siam, Symbol menschlicher Freiheit in königlicher Gestalt.
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Ein Gescheiterter? Ja, aber auch ein vollendeter Vollender, ein Geber mit vollen Händen, und bis heute gibt es keinen Zweifel, keine Kritik an der Stimmigkeit seiner Schöpfungen; im Kampf um die Wiederherstellung und Bewahrung dieser Kleinode der Architektur und Gartenkunst wird uns ihre Kostbarkeit und Unentbehrlichkeit bewusst. Als König Künstler zu sein: dies hat er verstanden, es ist ihm gelungen, sein herrscherliches Privileg in den Dienst der »lieblichen Gefühle« zu stellen, die zu entfalten den Menschen aller Stände und Klassen gegönnt sein, ja ermöglicht werden soll.
     Schauen wir genauer hin. Zwei exemplarische Projekte umschreiben, umgreifen seine Ansprüche an die vorgefundene Realität:

Charlottenhof

Charlottenhof war dem Kronprinzen 1825 von seinem Vater geschenkt worden, ein Gutshaus mit den umgebenden Wiesen am Südrand von Sanssouci. Schinkel baute, Lenné gärtnerte, aber der Kronprinz hatte das Programm und die gestalterischen Ideen geliefert. Mehr als ein Haus, ein Lebens- und Weltentwurf


Am 6. Februar 1850 schwört der König vor beiden Kammern des Landtages nach längerem Sträuben auf die erste preußische Verfassung. Lithografie von F. Hübner

 
bildete sich ab in der Achse vom Schornstein am Maschinenteich im Osten - Sonnenaufgang - bis zum Schattenhain des Hippodroms im Westen - Sonnenuntergang.

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In der Schnittstelle Schloss und Terasse, ein »Theatrum Mundi« mit der Exedra, der Rundbank, als Theater und dem Portikus als Bühne: Der Hausherr und sein Hausstand bilden das »Leben der Freien« in Natur und Geschichte, der Vergänglichkeit in der gehenden Zeit eingedenk, den Besuchern und Betrachtern vor. Und überall Wasser, der Teich, die Fontäne, Brunnenbecken und Kanäle auf der Terrasse, Wasserglocke in der Wiese, Sprudel im Vestibül und die stillen Spiegel um das Hippodrom, Wasser des Lebens.

Die Luisenstadt

Programm war auch der Grundriss der Luisenstadt, an dem schon der Kronprinz sich mit den beamteten Planern, den Besitzbürgern und den Nutzern der Allmende abmühte. Der große Wurf mit zentralem Platz und sternförmigen Magistralen überformte gar zu unrealistisch die gewachsenen, die bestehenden Verhältnisse, aber die nüchterne Geradlinigkeit der Straßen- und Kanalführung eines Carl Ludwig Schmidt (1780-1849) und noch Schinkels wie schließlich Lennés brach der König auf mit dem Schwung nach Osten; der Hafen in der Mitte wurde zum Engelbecken, die St. Michael- Kirche zur Stadtkrone, gespiegelt in den Wassern der Kanalachse und des Beckens, gefasst von den Brücken, überhöht durch den Erzengel auf dem Glockenträger der Kirchenfront.

Bethanien aber, »Centralkrankenhaus und Diakonissenlehranstalt«, war das steingewordene Programm der christlichen Mildtätigkeit im Staat des protestantischen Gottesgnadentums nach des Königs Verständnis.
     Kein Zufall, dass der Schmuckplatz vor dem großen Hause, wie der Garten der Anstalt von Lenné gestaltet, den Namen seiner Tante Marianne (1785-1846) erhielt, der »Muhme Minnetrost«, die die Kinder der Luise nach deren frühem Tode in romantisch- christlicher Frömmigkeit aufgezogen hatte. Und gleichzeitig war Bethanien ein rigider politischer Eingriffsversuch in das liberale Stadtregiment seiner Residenz Berlin, das in der Luisenstadt sein Zentrum und Experimentierfeld, vor allem in der Armen- und Krankenpflege durch die städtischen Armenkommissionen hatte.
     Die waren dem frommen König ob ihres liberalen Pragmatismus ein Dorn im Auge: Bethanien als Mutterhaus des diakonischen »Schwanenordens« sollte der Hebel werden, um die »leidigen Armenkommissionen« los zu werden; so schrieb er seinem Freund Josias Bunsen (1791-1860) in seinem »Sommernachtstraum« von der Erneuerung der protestantischen Kirche. Auch die Ausgründung einer konservativen Gemeinde in der Luisenstadt stand unter seinem Protektorat: Er schenkte der Gemeinde St. Jacobi die Kirche, die Stüler als frühchristliche Basilika erbaute, den Namen und sein Patronat.
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Wie Charlottenhof seinen privaten Lebens- und Weltentwurf siegelte, so dachte er sich die Luisenstadt, die Stadt der geliebten Mutter und Königin, als seine Stadt, im Grundriss, in den Gebäuden, in der sozialen, politischen und kirchlichen Struktur. Gegen die Zeit

Aber der Traum von Bethanien zerstob im Flintengeknatter der Revolution, der König geriet immer mehr ins Abseits zu den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.


Als Kronprinz und auch später als König hob Friedrich Wilhem IV. in eigenen Bleistift- und Federzeichnungen auf die Hügel rund um Potsdam Bauten in antiken Formen. Gigantisch geplant war das Schlossprojekt Belriguardo auf dem Tornow
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Doch die Verbildlichung seines Staats- und Gesellschaftsentwurfs in Stadt und Land um Berlin und Potsdam verfolgte er weiter, trotz der Einschränkungen in der politischen und finanziellen Verfügungsgewalt, die die neue Konstitution ihm auferlegte, trotz der wachsenden, nun oft hämischen Anfeindungen. Hatte er schon nach dem Regierungsantritt dem großen Ahnherrn Friedrich II. durch die Vollendung der Wasserspiele in Sanssouci - Persius baute an der Havelbucht das Maschinenhaus im Stil einer Moschee und August Borsig (1804-1854) die große Dampfmaschine - und die pflegerische Wiederherstellung der friederizianischen Gartenteile gehuldigt, so umgriffen seine groß angelegten Pläne ganz Sanssouci: Eine Triumphstraße sollte über den Weinberg hinter dem Schloss vorbei zum Belvedere führen, gekrönt von einem Gedächtnistempel für Friedrich den Großen, geschmückt mit Amphitheater, Museum und Orangerie. Angelegt wurden die Weinbergterrassen, gebaut wurde das großen Eingangstor und vor allem die Orangerie, schönste italienische Renaissance mit Terrassen und Wasserspielen auf dem Rücken des Mühlenberges, großartige und zugleich behutsame Überhöhung des friederizianischen Ensembles, dem durch diese Erweiterungen kein Eintrag geschehen ist.

Zwei Kirchen

Zwei Kirchen und die dazugehörigen Gärten aber sind es, die als die persönlichsten Bauten

des Königs seine private Gesinnung öffentlich zu Gestalt und Ausdruck bringen: die Heilandskirche zu Sakrow und die Friedenskirche mit dem Marly- Garten in Sanssouci.
     Sakrow: die Kirche wie ein angelandetes Schiff, kein Repräsentationsbau, sondern Gotteshaus für die Dorfgemeinde, aber zugleich das Kleinod der Havelseen, Pendant zu Kasino und Maschinenhaus am Ufer von Glienicke, dem Park des Königsbruders. Im Schloss zu Sakrow sollte Baron de la Motte-Fouquet (1777-1843) wohnen, der verehrte Dichter der Jugend- und Kriegszeit. Die Strahlenachsen der Alleen lenkten die Augen auf die Blickpunkte des märkischen Arkadiens. Und am Ufer die Exedra, römisches Beutestück, der vorgeschobene Aussichtspunkt über Wasserlandschaft und Ufer. Am 21. Juli 1844 konnte das von Persius erbaute Gotteshaus geweiht und der Gemeinde geöffnet werden, am Heiligen Abend 1990 wurde nach vieljähriger Pause wieder Gottesdienst gefeiert; die Lage vor den Grenzbefestigungen der DDR und die Initiative einer Westberliner Tageszeitung ersparten den drohenden Abriss des verfallenden Gebäudes und ermöglichten den Wiederaufbau nach dem Ende von Mauer und Stacheldraht - der Verlust wäre unausdenkbar gewesen!
     Gemeindekirche sollte auch die Friedenskirche am Ostrand von Sanssouci werden und wiederum auch Programm für die erträumte, die ersehnte Synthese von Christenheit, Antike und moderner Gesellschaft.
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Man muss sich ihr vom Marly- Garten aus nähern, dem schönsten und intimsten der Gärten von Sanssouci, den Lenné aus dem ehemaligen Küchengarten Friedrich Wilhelms I. (1688-1740, König ab 1713) schuf; selbst der Kugelfang der königlichen Schießbahn ist in den zum Garten offenen Kreuzgang einbezogen nun, »getauft« und befriedet durch frühchristliche Spolien von der so heiß ersehnten Italienreise 1828. Maßstabgebend für den Kirchraum war das grandiose Christus- Mosaik aus Ravenna, Italien im Sand der Mark, Ausdruck der Sehnsucht nach der Ruhe, mit der sich die Kirche im Friedensteich spiegelt. Ruhe vermittelt auch heute noch der Flora- Hügel im Marly- Garten mit seiner zwischen Sträuchern verborgenen Rundbank, diesem Lieblingsplatz des enttäuschten verstörten Königs, der die Krypta unter der Kirche zu seinem letzten Ruheplatz bestimmte, Ort des Friedens, den er in seinem Leben und Amt nicht zu finden wusste.

Luftschlösser und Unvollendetes

Vieles blieb unvollendet, viele kühne Entwürfe landeten in der Mappe Luftschlösser, die sich der König angelegt hatte: Belriguardo, das Schloss auf dem Tornow als das andere Sanssouci, der Friedrichs- Tempel, der neue Dom in Berlin, das protestantische Gegenstück zur Kölner Kathedrale, deren Weiterbau der König als deutsch- nationales Symbol


Das wohl letzte Porträt des nach den Schlaganfällen von 1857 sichtbar gealterten Friedrich Wilhelm IV. in einem Ölbild Edwart Grawerts von 1858

initiiert hatte, auch das Georgenkloster auf Kälberwerder eine Jugendfantasie, manche Kirchen in Berlin und im Lande. Manches blieb unvollendet und doch stimmig auch als Torso wie das Belvedere auf dem Pfingstberg, manche Ergänzung, mancher Weiterbau rundeten das Vorhandene ab und überhöhten es.

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Mit der Kuppel auf der Nikolaikirche zu Potsdam, vom Vater dem Architekten Schinkel aus Sparsamkeit weggestrichen, schuf Friedrich Wilhelm IV. den zentralen Orientierungspunkt der Potsdamer Gartenlandschaft: Wo du auch stehst in Potsdam und Umgebung, in Glienicke, auf dem Nedlitzer Kirchberg, auf der Babelsberger Schlossterasse, auf Friedrichs Belvedere, auf dem Pfingstberg oder dem Ruinenberg, - die Kuppel zieht den Blick auf sich, sagt die Mitte an; wie fremd muss den Planern des sozialistischen Potsdam diese Landschaft gewesen sein, dass sie die Blickachsen mit Hochhäusern verstellten!

Das Geschenk des Unzeitgemäßen

Friedrich Wilhelm IV. und all die Gehilfen seiner Fantasie - eine Werkgeschichte - fast unerschöpflich. Wer so eigensinnig auf seinen Träumen bestand, sie nicht aufgeben konnte, weil er ihnen sein Leben schuldete, wer Spuren solcher Dichte und Aussagekraft hinterließ, Ansprüche überlieferte, die noch in ihrem Widersinn königlich und faszinierend sind, wer so grandios gescheitert ist, dem gilt unsere Bewunderung, der hat unser Mitfühlen mit seinem Glauben an das unerreichbare Heil, den utopischen Frieden. Der Leib in der Grablege unter der Friedenskirche, das Herz aber bei den Eltern im Mausoleum im Charlottenburger Park: Noch im Tode nicht eins mit sich und seinem Weg.

Aber sein frommes Arkadien lebt, herausgehoben aus der Un- Zeitigkeit in zeitlose Gültigkeit, ergreift uns Herz und Sinne. Friedrich Wilhelm IV. hat das »andere Preußen« zur Vollendung gebracht, das seit dem Großen Kurfürsten sich zwischen Macht und Politik schob, dem Kriegsgesetz sein Recht zugestehend, aber den »lieblichen Gefühlen« Raum und Geltung schaffend, Gestalt gewordener Traum von einer versöhnten Welt.

Quellen:
1 Zitiert bei Ludovica Scarpa, Gemeinwohl und lokale Macht, München/ New Providence/ London/ Paris 1995, S. 115
2 Theodor Fontane, zitiert bei Gerd Heinrich, Geschichte Preußens, Frankfurt/ Berlin/ Wien 1984, S. 358
3 Zitiert in Friedrich Wilhelm IV., Künstler und König, Katalog zur Ausstellung 1995, S. 32
4 Dieter Hoffmann-Axthelm, Bethanien - eine historische Anmerkung zum Verhältnis von Architektur und Ideologie, in: Architektur - Experimente in Berlin und anderswo. Festschrift für Julius Posener 1989, S. 153

Bildquellen: Katalog der Ausstellung in Sanssouci 1995; Festschrft: Bethanien Die ersten fünfzig Jahre, 1897; W. Bußmann: Zwischen Preußen und Deutschland, 1990

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/2001
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