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dem Publikum präsentierte. Doebbelin brachte zeitgenössische Autoren auf die Bühne – Lessing, Goethe, Lenz, Schiller, Leisewitz – und machte sein Publikum mit Shakespeare bekannt. Durch Doebbelin lernten die Berliner die berühmtesten Schauspieler der damaligen Zeit kennen, so Johann Michael Boek (1743–1793) aus Gotha, Friedrich Ludwig Schröder (1744–1816) und Johann Franz Brockmann (1745–1812) aus Hamburg und Johann Friedrich Reinecke (1747–1787), der in Prag, Dresden und Leipzig spielte. Er verpflichtete sie für kurz- oder längerfristige Gastspiele. Neu war auch für Berlin, an den Sommersonntagen Singspiele aufzuführen. Selbst das erste bürgerliche Sommertheater im Reußischen Garten in der Nähe der Charité, an der Panke war eine Schöpfung Doebbelins. Bei so vielen Veränderungen konnte nicht alles gelingen. Manche Stücke – wie z. B. Lessings »Nathan« – nahm das Publikum nicht an. Alle Mühen und Investitionen waren vertan. Sein Sommertheater ging in den Fluten strömenden Regens unter. Doebbelin mußte sich verschulden, da vom Hof keine finanzielle Unterstützung gewährt wurde.
     Doebbelin war für die damalige Zeit ein gebildeter Mann. Geboren am 24. April 1727 in Königsberg (Neumark), kam er aber schon in jungen Jahren nach Berlin. Er besuchte das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin und studierte anschließend in Frankfurt an der Oder und Halle Jura.
Dagmar Claus
Einer, der den Hanswurst vertrieb

Carl Theophil Doebbelin (1727–1793)

Als der Schauspieler Doebbelin im Jahre 1766 nach Berlin kam, beherrschten noch die Harlekinaden das Theater. »Hanswurst, und wieder Hanswurst, und alle Tage Hanswurst; wie erstaunte ich aber«, so berichtete Doebbelin, »als ich auch Nicolai, Ramler, Mendelssohn, Lessing unter den Zuschauern fand. Wie, sagte ich zu Lessing, ihr, die Schöpfer, die Säulen des guten Geschmacks, könnt das mit ansehen? – Mach's besser, wenn ihr könnt, erwiderte Lessing. Das will ich, versetzte ich, in vier Wochen soll der Held herrschen und der Hanswurst vertrieben sein.«1) Nun – es dauerte länger, als Doebbelin annahm, aber er war es, der 1786 das deutschsprachige Theater in Berlin durchsetzte; er war es, der dem Nationaltheater in dieser Stadt den Weg bahnte. Sein Theater in der Behrenstraße war eine Sache des Bürgertums, stand im Gegensatz zum Opernhaus, das dem Hof, dem Adel vorbehalten war.
     Das Wichtigste für die Erneuerung des Theaters aber waren in der damaligen Zeit neue Stücke und neue Ideen, wie man sie

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Wegen seiner Beteiligung an studentischen Unruhen mußte er die Universität verlassen und ging mit 23 Jahren zum Theater. Er lernte bei der berühmten Neuberin (1697–1760), bei Konrad Ackermann (1712–1771) und bei Franz Schuch sen. (1716–1764). 1766 ging er als Charakterdarsteller nach Berlin zur Truppe von Schuch jun. (1741–1771). Als er ein Jahr später um eine eigene Konzession für Berlin nachsuchte, standen seine Chancen, in Berlin als Theaterdirektor festen Fuß zu fassen, schlecht. Schuch junior hatte in der Behrenstraße ein Theater und der Franzose André Bergé am Monbijouplatz. Doebbelin, ein Komödiant voller Leidenschaft und Engagement, auf der Bühne wie im Leben, wußte, was er wollte. Er wollte der Theaterdirektor in Berlin werden, er wollte das schöne Haus in der Behrenstraße, und er wollte ein neues Theater in Berlin durchsetzen. Der Kampf gegen Schuch begann, indem er eine von dessen besten Schauspielerinnen (Friederike Neuhoff, 1745–1799) heiratete und zur Hauptdarstellerin seiner Truppe machte. Die Abwesenheit von Schuch nutzte er, um sich in dessen Theater in der Behrenstraße einzumieten und die Berliner für sich zu gewinnen. Mit der Erstaufführung von Lessings »Minna von Barnhelm« und mit »Romeo und Julia« eroberte er die Sympathie des Publikums, mehr noch: Die gebildeten Kreise standen auf seiner Seite. Bergé, der als ehemaliges Mitglied der französichen Schauspielertruppe die »Opéra comique« in Berlin pflegte, trieb er mit einer Serie von deutschen Singspielen in den Konkurs. Nach zwei Jahren (1769) mußte Bergé sein Theater an Doebbelin verkaufen. Er verließ Berlin für immer. Mit Schuch war die Sache schwieriger. Zwar warb er dessen beste Schauspieler ab, aber selbst nach Schuchs Tod war ihm der Zugriff auf das Theater in der Behrenstraße versperrt. Die Witwe Schuchs, verärgert über Doebbelins Verhalten, bot Heinrich Gottfried Koch (1703–1775), einem berühmten Theatermann der damaligen Zeit, das Haus an. Koch, einst Schüler der Caroline Neuber, war jedoch schon betagt. Nach vier Jahren, 1775, hatte Doebbelin sein Ziel erreicht. Er wurde Alleinbeherrscher des Berliner Theaters. Sein Spielplan bestand aus Schauspielen, Singspielen, Operetten und Ballettstücken. Ungefähr 30 Novitäten wurden jährlich einstudiert. Doebbelin baute sein Ensemble und sein Orchester aus. Anfang der 80er Jahre bestand es bereits aus 76 Mitgliedern. Die Gagen und die Ausgaben für ständig neue Premieren verschlangen die Einnahmen. Zwar feierte Doebbelin große Erfolge mit Schillers »Räuber« und »Kabale und Liebe«, mit Shakespeare »Die lustigen Weiber« und mit »Figaros Hochzeit« von Beaumarchais, aber finanzielle Sorgen bestimmten immer stärker sein Handeln. Doebbelin benötigte Geld, um sein Theater durchzubringen. Eine volle Kasse und hoher künstlerischer Anspruch sind aber mitunter
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zweierlei. Er machte Kompromisse, die ihm den Vorwurf einbrachten, ein ewiger Schmierenkomödiant zu sein. Sein Spielplan war unausgewogen, Gutes und weniger Gutes standen nebeneinander. Genauso verhielt es sich mit den Schauspielern. Neben Friedrich Ferdinand Fleck (1757–1801), dem »Einzigen«, wie ihn die Berliner nannten, und Unzelmann (1753–1832) traten Dilettanten auf. Ein gleichbleibendes Niveau konnte so nicht erreicht werden. Da starb Friedrich II. (1712–1786), und der neue König, Friedrich Wilhelm II. (1744.1797), stellte Doebbelin das seit Jahren leerstehende französische Komödienhaus am Gendarmenmarkt als Nationaltheater zur Verfügung, »mit allen den darin befindlichen Dekorationen und Maschinen, auch der dabei vorhandenen Garderobe, nebst 5 000 Rthlr. jährlichen Gehalts, außer der öffentlichen Einnahme.« 2) Doebbelins Traum eines Nationaltheaters schien in Erfüllung zu gehen. Schien – denn Verwaltung und Finanzierung lagen nach wie vor in den Händen des Privattheaterunternehmers Doebbelin. Am 5. Dezember 1786 wurde das neue Haus eröffnet, mit »Verstand und Leichtsinn«, einem harmlosen Lustspiel von Johann Friedrich Jünger (1759–1797). Es war mehr Leichtsinn denn Verstand, der Doebbelin zu dieser Entscheidung veranlaßte. Vielleicht war der knapp 60jährige auch zu müde und die Sorge um den täglichen Unterhalt trübte den Blick für große Zeittendenzen. Das ehe- malige französische Komödienhaus wurde dem Spielplan und den künstlerischen Leistungen nach kein Nationaltheater. Seine Ausbootung geschah schnell, bereits im Mai 1787 war er einem Oberdirektor unterstellt. Der König selbst traf die Entscheidungen zur Umgestaltung des Theaters. Ein Rechtsbruch, wie später ein Gericht zugeben mußte. Mit 1 200 Talern wurde Doebbelin pensioniert. Er klagte sein Eigentum ein. Am 18. Juni 1789 wurden in einem Vergleich seine finanziellen Forderungen anerkannt. Drei Wochen später begann mit der Französischen Revolution ein neues Zeitalter, und Doebbelin kann für sich in Anspruch nehmen, es mit auf den Weg gebracht zu haben.
     Einsam und fernab vom Theaterbetrieb starb Doebbelin am 10. Dezember 1793 in Berlin.

Quellen und Anmerkungen:
1     G. Wahnrau: Berlin – Stadt der Theater, Berlin 1957, S. 98
2     »Vossische Zeitung«, 110tes Stück, Donnerstag, den 14ten September 1786; G. Wahnrau: Berlin – Stadt der Theater, Berlin 1957, S. 165 und R. Freydank: Theater in Berlin, Berlin 1988, S. 112 zitieren aus der »Vossischen Zeitung«, geben aber irrtümlich den 12. September 1786 für diese Notiz an.

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