![]() | ![]() |
58 Deutsche Denker![]() | Karl Wilhelm Ramler ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Berlin kam, befaßte er sich pro forma
mit dem Studium der Medizin, doch in Wirklichkeit hatte ihn die Liebe zur Literatur erfaßt. Er lernte den Dichter Ludwig
Gleim kennen, der ihn nicht nur bei seinen poetischen Versuchen aufmunterte, sondern ihm auch 1746 eine Hauslehrerstelle in der Nähe von Werneuchen verschaffte.
Als Gleim 1747 nach Halberstadt ging, entwickelte sich zwischen den beiden ein angeregter Briefwechsel. 1747 wieder in Berlin, erhielt Ramler 1748 eine Anstellung an
der Schule des Kadettenkorps. Als Philosophielehrer unterrichtete er dort regelmäßig 42 Jahre lang, wobei er die Gelegenheit nutzte, seine Zuhörer auch über die
Kunst und Literatur zu informieren. Seit dieser Zeit wohnte er in der Spandauer Straße 68.
Schon bald verkehrte er in den intellektuellen Kreisen Berlins, wurde mit dem Philosophen Moses Mendelssohn (1728–1786) und dem Buchhändler Friedrich Nicolai (1733–1811) bekannt, arbeitete mit dem Juristen Johann Georg Sulzer (1720–1779) zusammen, gehörte den verschiedenen Klubs an, in denen die Berliner Aufklärer regelmäßig diskutierten. Die Zeitschrift »Critische Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit«, die Ramler gemeinsam mit Sulzer 1750 herausgab, reflektierte diese Aktivitäten. Besondere Bedeutung gewann die Freundschaft mit Gotthold Ephraim Lessing, der sich seit 1748 mehrfach in der preußischen | |||||||
Eberhard Fromm
Der poetische Exerziermeister Karl Wilhelm Ramler Er war ein Freund der großen Dichter seiner Zeit, obwohl er oft ihr schärfster – und manchmal wohl auch kleinlichster – Kritiker war und selbst als Dichter Anspruch auf eigenen Beifall anmeldete. Wer war dieser Carl Wilhelm Ramler, dessen Freundschaft mit Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) über zwanzig Jahre währte, der eng mit Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803) verbunden war und den der Dichter der Romantik Joseph Freiherr von Eichendorff (1788–1857) später den »poetischen Exerziermeister seiner Zeit« nannte? Wie erklären sich die große Wirkung in seiner Zeit und die abfälligen Wertungen in späteren Literaturgeschichten? Ein »deutscher Horaz« Als Sohn eines Steuerinspektors am 25. Februar 1725 in Kolberg geboren, erhielt Carl Wilhelm Ramler seine Ausbildung an den Schulen von Kolberg und Stettin sowie in Halle und Berlin. Als er 1745 nach | |||||||
![]() ![]() |
![]() | ![]() |
59 Deutsche Denker![]() | Karl Wilhelm Ramler ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Hauptstadt aufhielt (BM 1/96) und zeitweise ganz in der Nähe von Ramler, in der Heiligengeiststraße 52, Quartier bezogen hatte. Ein rotes Band aus dem Fenster war für beide »das Signal zur Ausflucht in die Baumannshöhle«, die nahe gelegene Weinstube des Küfers Baumann, wie Ramler | 40–102). »Was ich mache, sind einige Oden aus dem Horaz, die ich seit einiger Zeit den Verfassern der Berlinischen Monathsschrift zum Geschenke mache. Die Oden habe ich gern übersetzt, die erklärenden Anmerkungen aber nehmen mir mehr Zeit weg, als ich missen kann, und doch | ||||||||
später erzählte. Seit 1754 verkehrten die beiden persönlich und brieflich miteinander. Sie tauschten kritische Bemerkungen über ihr Schaffen aus und gaben 1759 gemeinsam »Friedrich von Logaus Sinngedichte« heraus. In einem Brief an Gleim schrieb Lessing 1758: »Herr Ramler und ich machen Projekte über Projekte. Warten Sie nur noch ein Vierteljahrhundert, und Sie sollen erstaunen, was wir alles werden geschrieben haben.« In seiner eigenen poetischen Arbeit konzentrierte sich Ramler auf die Oden. Hier übersetzte er Werke der römischen Dichter Horaz (65–8 v. Chr.) und Catull (etwa 84–54 v. Chr.) sowie die Sinngedichte des Martial (etwa |
| ||||||||
Karl Wilhelm Ramler | |||||||||
![]() ![]() |
![]() | ![]() |
60 Deutsche Denker![]() | Karl Wilhelm Ramler ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
sind sie den meisten Lesern dieser
Monathsschrift nöthig«, meinte er 1783 und
belegte damit sein ständiges Bemühen,
möglichst korrekt und allseitig erklärend zu wirken.
Seine eigenen Oden erzielten unter seinen Zeitgenossen beachtliche Wirkung und Anerkennung. Ramler habe die Berliner Ohren schon so verwöhnt, daß es für jeden gefährlich sei, nach ihm zu kommen, meinte der Philosoph und Schriftsteller Johann Jakob Engel (1741–1802), der zu den Bewunderern des Dichters zählte. Allerdings gab es auch schon kritische Stimmen gegen-über der Art, wie Ramler den preußischen König Friedrich II. (1712–1786) in seinen Oden besang und feierte. So hieß es in einer Rezension zu Ramlers Lyrischen Gedichten in den »Frankfurter gelehrten Anzeigen« vom Oktober 1772: »Wenn sie doch wüßten, wie tief sie sich erniedrigen, unsere deutsche Dichter, wenn sie um Glück und Gehör bei Hofe buhlen.« Tatsächlich honorierte der vielbesungene Friedrich II. seinen Odendichter keineswegs. Erst Friedrich Wilhelm II. (1744–1797) bewilligte ihm höhere Bezüge in seinem Lehramt und ernannte ihn 1786 zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften. 1787 wurde Ramler gemeinsam mit Johann Jakob Engel, der 1776 nach Berlin gekommen war, und dem Geheimen Ober-Finanz-Kriegs- und Domainen-Rat Johann August von Beyer (1732–1814), der als Finanzsachverständiger wirken sollte, in | die Direktion der königlichen
Schauspiele berufen. »Das meiste, was ich jetzt Amts
-wegen thun muß ist, geschriebene und gedruckte Komödien durchzulesen, und
wenn sie es werth sind, sind sie zu beraspeln und zu befeilen. Schade nur, daß unter
zwölf Stücken kaum eines dieser Mühe werth ist!«, klagte er 1795 einem Briefpartner in Petersburg.
1790 gab er seine Lehrtätigkeit an der Kadettenschule auf, 1796 legte er auch die Theaterleitung nieder. Der sein Leben lang unverheiratete Ramler starb am 11. April 1798 in Berlin in den Armen seines Freundes, des Kriegsrates Wackenroder, dessen Sohn Wilhelm, einer der Begründer der deutschen Romantik, zwei Monate früher, im Februar 1798, verstorben war (BM 2/98). Der zeitgenössische Schriftsteller Leopold Friedrich Günther von Goeckingh (1748–1828) würdigte den Verstorbenen: »Sein Charakter war einfach, wohlwollend, dienstfertig und gesellig. Er lebte bloss seiner Kunst und seinen Freunden, die er herzlich liebte, ohne mit seiner Liebe im mindesten zu prunken. Er hatte ihrer nicht wenige unter allen Ständen, besonders unter den Gelehrten und Geschäftsmännern. Vielleicht hatte er keinen Feind.« Begraben wurde Karl Wilhelm Ramler auf dem Alten Kirchhof der Sophiengemeinde in der Sophienstraße (Mitte). Eine Straße in Wedding erhielt 1892 seinen Namen. | ||||||
![]() ![]() |
![]() | ![]() |
61 Deutsche Denker![]() | Karl Wilhelm Ramler ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Zwischen Genie und Langweiler
Von dem »großen Dichter« Ramler
sprach Friedrich Nicolai in seinen »Briefen,
die neueste Literatur betreffend« (v. 4. Juli
1765), und schrieb geradezu euphorisch. »Wie könnte ich Nachrichten von dem
Zustande der deutschen Gelehrsamkeit während des itzt glücklich geendeten Krieges
würdiger schließen, als durch die Arbeiten
eines Genies, das durch den Enthusiasmus des Krieges gleichsam zur Reife getrieben worden, oder wenigstens Mut erhalten, sich öffentlich zu zeigen.« Georg Forster
nannte den selben Mann dagegen in einem Brief von 1779 die Ziererei, die Eigenliebe und Eitelkeit in einer Person. In späteren
Literaturgeschichten werden seine Oden total abgewertet, sein kritisches Wirken erscheint nicht selten als kleinliche Kritikasterei.
| 1799 in der Akademie der
Wissenschaften vorgetragen wurde: »Einige meinten, er wolle sich dadurch über alle andere
Dichter erheben, wovon der bescheidene Mann doch weit entfernt war. Andere tadelten mit mehrerem Rechte, daß er alle andere
Dichter auf seine Art veränderte, wodurch
jedem seine Eigentümlichkeit geraubt, und
viele geänderte Stellen, wenn auch korrekter, zugleich schwächer würden.«
Ramler leitete seinen Anspruch auf diese Art Kritik aus seinem Wissen um die Poetik ab. Bereits 1757 hatte er die umfangreiche Arbeit des französischen Ästhetikers Charles Batteux (1713–1780) »Einleitung in die schönen Wissenschaften oder Grundsätze der Literatur« übersetzt. Batteux vertrat darin die Position, daß die Kunst allein die schöne Natur nachzubilden habe und daß der Geschmack über eine gelungene oder schlechte Nachahmung entscheide. Ramler legte nun nicht einfach eine deutsche Übersetzung dieses zweibändigen Werkes vor, sondern er unterzog sich der anspruchsvollen Aufgabe, als Beispiele und Beleggrundlage deutsche Dichter und deren Schaffen zu nehmen. Dazu mußte er sich ein umfängliches Wissen über die Werke der deutschen Poeten aneignen. Und die so von ihm ausgewählten Beispiele sollten dann möglichst vollkommen sein, um zur Formung eines guten Geschmacks beitragen zu können. Dieses Unternehmen hatte zu seiner Zeit sicher eine wichtige Rolle gespielt, entwic | ||||||
![]() ![]() |
![]() | ![]() |
62 Deutsche Denker![]() | Karl Wilhelm Ramler ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
kelten sich doch gerade im 18.
Jahrhundert die ästhetischen Auffassungen und
deren praktische Anwendungen in der Poesie und Dramatik. Ramler selbst war stets darum bemüht, die von ihm als richtig erkannten Grundsätze im eigenen Schaffen
konsequent anzuwenden, wovon man sich in seinen Poetischen Werken, die 1800/01 in zwei Bänden in Berlin erschienen, überzeugen
kann. Aber auch bei der Herausgabe der Werke anderer – Herrn M. G. Lichtwers auserlesene und verbesserte Fabeln und
Erzählungen (1761), Lieder der Deutschen (1766),
Fabeln und Erzählungen aus verschiedenen Dichtern gesammelt (1797) – ging er von
diesen Prinzipien aus, was ihm nicht immer Freunde einbrachte.
Ein fester Freund blieb ihm aber Lessing. Aus Breslau schrieb der 1760 sehnsuchtsvoll nach Berlin: »Wenigstens immer um den dritten Tag vertrieben wir einer dem andern eine Stunde; jeder von uns wende diese Stunde auf einen Brief; so habe ich für eine glückliche Stunde zwei: die, da ich an Sie schreibe, und die, da ich Ihre Antwort erhalte. An Stoff soll es uns nicht fehlen, so lange unsere Freundschaft dauert, so lange Horaz und alte deutsche Dichter in der Welt sind.« Lessing machte Ramler oft zu seinem ersten Kritiker: »Sie sollen der erste sein, von dem ich mein Urteil erwarte«, heißt es 1764 zu »Minna von Barnhelm«. Und 1770 überließ er eine Ausgabe seiner Sinngedichte Ramler zur Kritik und Bear- | beitung: »Streichen Sie aus, was gar zu
mittelmäßig ist ...; und wo eins durch eine
geschwinde Verbesserung sich noch ein wenig mehr aufstutzen läßt, so haben Sie doch
ja die Freundschaft, ihm diese Verbesserung zu geben. Ihnen kann so etwas nicht viel Mühe kosten; denn Sie haben noch alle poetische Farben auf der Palette, und ich weiß kaum mehr, was poetische
Farben sind.« Als Ramler die Berliner
Aufführung von Lessings »Emilia Galotti« in einer
Rezension in der »Berlinischen Privilegirten Zeitung« vom 28. März 1772 lobte,
verlangte Lessing von seinem Freund statt dessen mehr Kritik: »Kritik, will ich Ihnen nur vertrauen, ist das einzige Mittel, mich zu mehrerem aufzufrischen, oder
vielmehr aufzuhetzen.«
Sicher blieb einem Mann wie Lessing auch nicht verborgen, daß und wo die kritische Position Ramlers ihre Grenzen hatte. Er merkte wohl, daß Ramler sich in seinem Urteil recht pedantisch an dem Werk von Batteux orientierte und alles ablehnte, was den dort entwickelten Regeln widersprach. Doch das hielt Lessing nicht ab, seinen Freund Ramler immer wieder in seine Arbeiten mit einzubeziehen. So erläuterte er in einem Brief von 1778 ausführlich die im »Nathan dem Weisen« gewählte Versform und bedankte sich für die »grammatikalischen Zettel«, die ihm Ramler zum »Nathan« übersandt hatte. Karl Wilhelm Ramler war sicher kein | ||||||
![]() ![]() |
![]() | ![]() |
63 Deutsche Denker![]() | Karl Wilhelm Ramler ![]() ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
dichterisches Genie. Und den Platz, den
ihm viele seiner Zeitgenossen mit seinen Oden neben einem Klopstock (1724–1803)
einräumten, war deutlich übertrieben. Sein kritisches Wirken in der Literatur seiner Zeit verdient jedoch größere
Anerkennung, als ihm meist zugebilligt wird.
Denkanstöße Das Trauerspiel oder die Tragödie ist eine heroische Handlung, die fähig ist, Furcht und Mitleid zu erregen. Sie ist eine Vorstellung und keine bloße Erzählung, weil man die Personen selbst auf der Schaubühne handeln sieht und sprechen hört. Die handelnden Personen in der Tragödie müssen genau bestimmte und sich bis ans Ende gleichbleibende Charaktere haben. Sie müssen eine Sprache reden, die ihren Leidenschaften, ihrem Alter, ihrem Geschlechte, ihrem Stande angemessen ist, die aber ein wenig edler sein muß, als die gewöhnliche Sprache des Umgangs. Die Handlung muß nur eine einzige sein; wäre sie doppelt, so würde unsere Aufmerksamkeit geteilt und geschwächt werden. Nebenhandlungen oder Episoden können zwar angebracht werden, sie müssen aber der Haupthandlung untergeordnet sein und genau damit verbunden werden, auch zur Entwicklung und Verstärkung derselben etwas beitragen. Nach der strengstens Regel muß die Handlung an einem Orte vorgehen, und aufs | höchste in einem
Tage vollendet werden, damit die Vorstellung davon desto wahrscheinlicher werde und desto mehr
Eindruck mache. Die Handlung muß heroisch sein, das heißt, sie muß, wo möglich,
durch den Stand, besonders aber durch die
großen Eigenschaften der Personen wichtig gemacht werden. Sie muß von der Art
sein, daß sie Furcht und Mitleid erregt, weil
der Eindruck einer Furcht, die durch bloß erdichtete Vorstellungen erregt wird, der allerlebhafteste für die schwache menschliche Natur ist, ohne ihr im
geringsten schmerzhaft zu sein, und weil der Affekt des Mitleidens dem menschlichen Herzen am nützlichsten ist, ihm auch die
meiste Ehre, und eben dadurch der Eigenliebe das meiste Vergnügen macht.
K. W. Ramler's kurzgefaßte Einleitung in die schönen Künste und Wissenschaften. Halle 1829, S. 31 f. Bildquelle:
| ||||||
![]() ![]() |
© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de