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der festgelegt – »einerseits in dem für das Herbarium erworbenen Etablissement und Garten in Schöneberg, in Verbindung mit dem Botanischen Garten daselbst, und andererseits in den königlichen Hofgärten zu Potsdam und auf der Pfaueninsel, in Verbindung mit dem Kieferngehölz in der Pirschhaide«, eröffnet. Sie war in der Folgezeit wegweisend und sehr erfolgreich in der wissenschaftlichen, technischen und künstlerischen Ausbildung von Gärtnern.
     Nach dem ersten Statut der Anstalt von 1823 wurden vier Lehrstufen in drei Abteilungen für die Ausbildung von Gärtnern, Kunstgärtnern und Gartenkünstlern eingerichtet. Für die Qualifikation eines Gartenkünstlers, der höchsten Stufe, waren vier Jahre Ausbildung vorgesehen. Die ersten 15 Eleven der Königlichen Gärtnerlehranstalt verbrachten das erste Ausbildungsjahr am Botanischen Garten in Schöneberg und setzten die theoretischen und praktischen Studien in den königlichen Gärten Potsdams, in der Pirschheide und auf der Pfaueninsel fort. Jeder Schüler war einem Hofgärtner zugeteilt, bei dem er auch wohnte. Eine zentrale Unterrichtsstätte gab es zunächst noch nicht. Das jährliche Schulgeld betrug – Quartier und Unterhalt ausgenommen – 50 Reichstaler, »praenumerando zahlbar«.
     Die Königliche Gärtnerlehranstalt unterstand auf der einen Seite der Aufsicht des

Heidrun Siebenhühner
20. August 1823

Gründung der Königlichen Gärtnerlehranstalt

Der 20. August 1823 war für die Entwicklung des Gartenbaus in Preußen ein bedeutsames Datum. An diesem Tag nämlich erließ König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840, König 1797–1840) eine »Allerhöchste Kabinets-Ordre«, durch die auf Antrag Peter Josef Lennés (1789–1866) die Königliche Gärtnerlehranstalt gegründet wurde. Eng mit ihr verbunden war die – gleichzeitig und ebenfalls auf jene Order entstandene – Landesbaumschule. Träger war der private »Verein zur Beförderung des Gartenbaus in den Königlich Preußischen Staaten«, dessen Bildung Lenné maßgeblich beeinflußt hatte. Im Oktober 1823 wurde Lenné zum Direktor der Königlichen Gärtnerlehranstalt und der Landesbaumschule ernannt. Sein Wirken war fortan untrennbar mit der Entwicklung dieser Anstalt verbunden, deren Gründung als »ein Wendepunkt in der höheren Ausbildung des gärtnerischen Wissens und Könnens« bezeichnet wurde.
     Die Königliche Gärtnerlehranstalt wurde im Frühjahr 1824 – wie in der Kabinettsor-

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Blick in den Staudengarten der Höheren Gärtnerlehranstalt
Intendanten der königlichen Gärten, auf der anderen der des »Vereins zur Beförderung des Gartenbaus in den Königlich Preußischen Staaten«. Erster Direktor der Schöneberger Abteilung (das erste Schulgebäude der Anstalt in Schöneberg befand sich in der Haupt-/Ecke Großgörschenstraße) war von 1824 bis 1843 der Inspektor des benachbarten Botanischen Gartens, Christoph Friedrich Otto (1773–1856). Das Direktorat der Potsdamer Abteilung (Potsdam-Wildpark) und der Landesbaumschule hatte der Gartendirektor Lenné von 1824 bis zu seinem plötzlichen Tod im Januar 1866 inne.
     Während die Potsdamer Abteilung (Wildpark) – insbesondere jedoch die Baumschule – unter Lennés Leitung Gewinne abwarf,
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traten in der Schöneberger Abteilung zunehmend finanzielle Schwierigkeiten auf, die schließlich zusammen mit räumlichen Problemen Anfang des Jahres 1854 zur Schließung dieser Abteilung der Lehranstalt führten.
     Nachdem 1842 die Landesbaumschule aus der Pirschheide zum Vorwerk Altgeltow
verlegt und 1844 auch verwaltungstechnisch von der Lehranstalt getrennt worden war, gab sich die Anstalt im Jahr 1854 ein neues Statut, das die Ausbildung in zwei Abteilungen vorsah. Während die erste Abteilung – aus heutiger Sicht – Fachschulcharakter hatte, sah die zweite die Ausbildung zum Kunst- und Handelsgärtner bzw. Gartenkünstler vor und gab den erfolgreichen Absolventen die Möglichkeit, am Botanischen Garten oder einer Universität weiterzustudieren.
     In den folgenden Jahren und Jahrzehnten war der jeweils in Potsdam amtierende Hofgartendirektor gleichzeitig Direktor der Königlichen Gärtnerlehranstalt. Im Jahre 1899, in dem mit viel Aufwand das 75jährige Bestehen der Anstalt
Peter Josef Lenné
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begangen wurde, hatte Gustav Fintelmann (1846–1918) dieses Amt inne und übte es bis 1908 aus. Das Jubiläum leitete gleichzeitig eine neue Etappe in der Geschichte der Anstalt ein. Platzmangel in der Potsdamer Abteilung (Wildpark) und die bevorstehende Verlegung des Botanischen Gartens führten schließlich im Jahre 1903 zum Umzug der Lehranstalt nach Dahlem bei Berlin.
     Auf einem Gelände (ca. 34 Morgen groß) an der Königin-Luise-Straße 22 – entstanden durch Aufteilung der Domäne Dahlem – wurde ein neues Anstaltsgebäude errichtet, das am 6. Oktober 1903 vom Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, Viktor von Podbielski (1844–1916), zusammen mit dem Freigelände feierlich übergeben wurde. Die Studienzeit betrug jetzt vier Semester; Bedingung für das Studium an der Anstalt war neben einer zweijährigen Lehrzeit nun noch eine zweijährige Gehilfenzeit. Mit Wirkung vom 1. Dezember 1909 trat an die Stelle der bisherigen Obergärtner-Prüfungsordnung die Prüfung zum Staatlich diplomierten Gartenmeister. Absolventen mit Abschlußexamen, die daneben noch das Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis vorweisen konnten, waren zum Studium an allen Berliner Hochschulen berechtigt. Am 9. April 1910 erhielt die Anstalt einen neuen Namen: Höhere Gärtnerlehranstalt.
     Die weitere Entwicklung der Lehranstalt – inzwischen unter Leitung von Theo-
dor Echtermeyer (1863–1932) – wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, der Lehrbetrieb weitgehend eingestellt. Erst am 6. Januar 1919 wurden alle Lehrgänge wieder eröffnet. Die erfolgreichen Absolventen durften sich nun als Staatlich geprüfte Gartenbautechniker (1. Staatsprüfung) bezeichnen. Der Titel Staatlich geprüfter Gartenbauinspektor (2. Staatsprüfung) wurde ein Jahr später eingeführt.
     Aus Anlaß der 100-Jahr-Feier im August 1924 übereigneten die Stadt Berlin und der Staat Preußen der Lehranstalt Versuchsgelände – zur kostenlosen Nutzung für 25 Jahre – in Großbeeren und der Oberförsterei Falkenhagen. Die Bemühungen, die Anstalt in eine Hochschule umzuwandeln, schlugen fehl. Jedoch wurden die Studienjahre an der Dahlemer Anstalt, die nach erneuter Umbenennung nun Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau (LuFA) hieß, für ein weiterführendes Studium anerkannt.
     Im April 1928 erfolgte die Verstaatlichung der Lehr- und Forschungsanstalt. Die Anerkennung als Hochschule, die nach wie vor angestrebt wurde, blieb weiterhin – aus Kostengründen – aus. Denn seit 1929 konnte an der seit kurzem bestehenden Fakultät für Gartenbau der Landwirtschaftlichen Hochschule ein Studium aufgenommen werden, das mit dem Titel Diplom-Gärtner abschloß. Ein Erlaß vom 14. März 1929 legte fest, daß nur noch ein Lehrstuhl-
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inhaber der Hochschule Direktor der Lehranstalt werden konnte. Nach Theodor Echtermeyer, der am 31. März 1929 in den Ruhestand getreten war, wurde Erich Maurer (1884–1981), der gleichzeitig Professor für Gärtnerischen Pflanzenbau an der Landwirtschaftlichen Hochschule war, Direktor der LuFA.
     Das Jahr 1933 brachte der Anstalt neue Satzungen und das Jahr 1935 eine Änderung der staatlichen Zuständigkeit. Die Anstalt wurde dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstellt, und ihr Name änderte sich in Versuchs- und Forschungsanstalt für Gartenbau (VuFA). Pläne für eine Verlegung der gesamten Anstalt nach Marquart bei Potsdam und eine Neuorganisation fielen dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Der Lehrbetrieb lief zwar während des Krieges weiter, lag aber bei Kriegsende völlig am Boden. Bis zu diesem Zeitpunkt – von 1824 an – hatten fast 4 000 Studierende die Lehranstalt absolviert.
     Nach den Wirren der ersten Nachkriegsjahre wurde der Unterrichtsbetrieb am 1. November 1949 mit 50 Studenten wieder aufgenommen. Zuvor hatte die Lehranstalt wieder den Namen Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau (LuFA) bekommen, war vom Magistrat der Stadt Berlin (West) übernommen und der Abteilung Volksbildung unterstellt worden. Die Anfänge waren bescheiden, und die finanzielle Lage war
schlecht. Dennoch wurden – nachdem Verbindungen zur Technischen Universität geschaffen worden waren – jeweils im Herbst 60 Studierende aufgenommen, die nach vier Semestern das Studium mit dem Examen zum Staatlich geprüften Gartenbautechniker abschlossen. Im Dezember 1953 wurde mit einer Feierstunde und einer Festschrift des 50. Jahrestages der Verlegung der Königlichen Gärtnerlehranstalt nach Dahlem gedacht.
     Die weitere Entwicklung sei hier nur kurz angerissen: Mit dem Wintersemester 1960/61 wurde die Studienzeit an der LuFA auf sechs Semester erhöht; die Anstalt erhielt die Anerkennung als Ingenieurschule, der Titel Ingenieur (grad.) wurde 1965 eingeführt.
     Im Dezember 1966 gab es eine erneute Namensänderung in Staatliche Ingenieurschule für Gartenbau Berlin-Dahlem (SIAG). Ihr letzter Direktor war Baudirektor Max Großmann von 1965 bis 1971; mit der Eröffnung der Technischen Fachhochschule Berlin am 1. April 1971 ging die SIAG in dieser auf und wirkte nun als Fachbereich Landespflege und Gartenbau in Berlin-Dahlem weiter. Fast 5 000 wissenschaftlich geschulte Gartenbaufachleute hatte die Lehranstalt in ihrer langjährigen Geschichte seit 1823/24 hervorgebracht.

Bildquelle:
Archiv LBV

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© Edition Luisenstadt, 1998
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