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Köllner, Deputationen des Magistrats und der Stadtverordneten unter Führung des Bürgermeisters Hedemann und des Vorstehers Kochhann (1805–1890; BM 5/92 und 3/93) sowie die meisten Direktoren der höheren Lehranstalten Berlins. Mit einem Wort: Die Schuleröffnung war ein städtisches Ereignis.
     Die »Vossische« berichtet auch über die Schwierigkeiten der Bauvorbereitung – da sich der Baugrund auf dem sumpfigen Gelände erst in größerer Tiefe fand, wurde die Fundamentlegung weit kostspieliger als veranschlagt. Der Bauplatz war aber auch die alte Stadtgrenze, an der der Große Kurfürst (1620–1688, Kurfürst ab 1640) im siebzehnten Jahrhundert hatte Festungswerke anlegen lassen, und so mußten überdies dichte Lager von Floßholz, die als Gründung für dieselben gedient hatten, beseitigt werden. (Inzwischen war das Grundstück der Garten einer Freimaurerloge geworden und mußte von der Stadt gekauft werden.)
     Der Plan des schließlich errichteten Gebäudes war nach den Angaben des Stadtbaurates Gerstenberg vom städtischen Bauinspektor Hanel entworfen worden, und der hatte auch, assistiert von anderen Baumeistern, die Ausführung geleitet.
     Das Ergebnis war ein für die damalige Zeit großzügiger Schulbau mit 15 Klassenräumen für je 40–50 Schüler, einer physikalischen Klasse mit Apparatezimmer und Kabinett, einer chemischen Klasse mit Laboratorien

Kristiane Lichtenfeld
Homer und Sokrates als Schutzgeister

Vor 130 Jahren: Das Köllnische Gymnasium bezieht sein schönstes Gebäude

     Geist des Herrn, in diese Hallen
     Zeuch mit Deinem Segen ein,
     Laß', die ein und aus hier wallen,
     Deines Lichts teilhaftig sein,
     Treu im Handeln, Glauben, Denken,
     Ihren Blick zum Höchsten lenken.

Diese Schlußverse des Festgesangs, gedichtet von dem langjährigen Gymnasiumsdirektor Ernst Ferdinand August (1795–1870; BM 2/96) und vom Gesanglehrer Paul Schnöpf in Musik gesetzt, fügt die »Vossische Zeitung« am 14. Oktober 1868 in ihren umfänglichen Bericht über die Feier anläßlich der »Einweihung des neuen Köllnischen Gymnasiums am 13. Oktober«. An der Festversammlung in der neuen Aula des Gymnasiums, das nunmehr sein neues Domizil in der Inselstraße 2–5 bezog, nahmen nicht nur sämtliche Lehrer und Schüler der Anstalt teil, sondern auch Mitglieder der höchsten Behörden: die Geheimräte Wiese und Reichenau, die Schulräte Gottschick und Hoffmann, der Ephorus der Anstalt, Propst

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Köllnisches Gymnasium Insel-/ Ecke Wallstraße, 1910
und Apparatezimmer, Räumen für naturwissenschaftliche Sammlungen und einem Raum für optische Versuche mit Balkon zur Aufstellung des Astrolabiums (astronomisches Beobachtungs- und Meßgerät) im Freien. Hinzu kamen zwei Bibliothekszimmer, ein Zeichensaal für 50, ein Gesangssaal für 100 Schüler und eine Aula mit Vorzimmer, deren Wände Porträtköpfe aus gebranntem Ton schmückten: Kant, Homer, Sophokles, Sokrates, Schiller, Goethe, Winckelmann und Kopernikus, gewissermaßen die Schutzgeister des Hauses. Zum Gebäude gehörte auch eine Direktoratswohnung sowie die des Schuldieners. Auf dem Grundstück befand sich außerdem eine Turnhalle im Bau, die Hälfte des Hofes konnte als Sommerturnplatz genutzt werden. Zum erstenmal in Berlin waren in diesem Schulbau die Klassenräume »streng
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nach dem Lebensalter und nach der Körpergröße« der Schüler ausgestattet worden. Eine moderne Warmwasseranlage beheizte gleichmäßig alle Schulräume. Die Fassade war mit Hermsdorfer Terrakotten verkleidet ...
     Als das Köllnische Gymnasium im Oktober 1868 sein neues, stattliches Domizil in der Inselstraße bezog, blickte die Schule, eine der ältesten Berlins, bereits auf eine mehrhundertjährige Geschichte zurück. Die Existenz einer Köllnischen Lateinschule im vierzehnten Jahrhundert ist sicher. Hier wurde der Kleriker- Nachwuchs herangezogen, und hier ließ das Patriziat seine Söhne bilden – seit 1359 gehörte Berlin zur Hanse. Im sechzehnten Jahrhundert dann beeinflußte die Reformation auch das Berliner Schulwesen und wandelte, angesichts der sinkenden Bedeutung des Lateinischen, kirchliche Lateinschulen zu städtischen Gymnasien: 1540 wurde Heinrich Kunst, ein Schüler Martin Luthers und Philipp Melanchthons, Leiter der Köllnischen Schule. Erst 1574 übrigens erfolgte die Gründung des – somit jüngeren – Gymnasiums zum Grauen Kloster, dessen Name dennoch bis heute der klangvollere geblieben ist.
     Ein halbes Jahrhundert lang verbanden sich sogar die Geschicke beider Lehranstalten. Als es nach dem Siebenjährigen Krieg zum Niedergang der Berliner Gymnasien kam, die Schülerzahlen bedrohlich sanken, wurden die oberen Klassen des Berlinischen
Gymnasiums Zum Grauen Kloster und des Köllnischen Gymnasiums nach einem Vorschlag des Gelehrten Süßmilch (1707–1767), Propst von Kölln, 1767 zu einem Gymnasium vereinigt, während die unteren Klassen als Stadtschulen geführt wurden.
     Erst 1824 trennten sich die beiden Gymnasien wieder, und das Köllnische Gymnasium wurde, neuen Anforderungen an die Vorbereitung der Berufsausbildung sowie Entwicklungen in den Naturwissenschaften Rechnung tragend, zum ersten Berliner Realgymnasium. Es zog in die Scharrenstraße, nutzte jedoch ebenso wie schon früher – nach dem Brand der Petrikirche im Jahre 1730, der auch das daneben liegende Schulgebäude vernichtete – Räume im Köllnischen Rathaus in der Breiten Straße. Das Gymnasium wirkte überregional und hatte viele nichtberliner Zöglinge, seit 1830 besaß es sogar eine eigene Pensionsanstalt. Die Zöglinge kamen meist aus den wohlhabenden Schichten, aber in Ausnahmefällen wurden ärmeren Begabten Stipendien zuteil. Obwohl es seit 1829 schon einige Abiturienten gab, erhielt das Köllnische Realgymnasium erst 1839 die vollen Gymnasiumsrechte hinsichtlich der Abiturprüfungen, die übrigens öffentlich im Köllnischen Rathaus stattfanden.
     Eine bedeutende Persönlichkeit war der von 1827 bis 1868 an der Schule wirkende Direktor Ernst Ferdinand August. Seit das Köllnische Gymnasium in die Märzereig-
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nisse des Jahres 1848 verwickelt worden war – vor dem Köllnischen Rathaus stand bekanntlich die große Barrikade, das Rathaus wurde schließlich gestürmt – , kämpfte Direktor August angesichts der ohnehin längst zu eng gewordenen Schulräumlichkeiten im Rathaus zielstrebig um ein neues Schulgebäude. Nach zwanzig Jahren endlich durfte er seinen Erfolg feiern. 1868, zum Zeitpunkt der Einweihung des neuen Hauses, gab es bereits viele Oberrealschulen, so daß die Pionierrolle des Realgymnasiums überholt schien. Deshalb wurde das Gymnasium in ein humanistisches rückverwandelt, es behielt aber als zusätzliches Angebot realgymnasiale Wahlfächer.
     1917 beschritt das Köllnische Gymnasium abermals neue Wege, indem es sich als eine der ersten Aufbauschulen begabten Söhnen nichtvermögender Eltern öffnete und ihnen – nach einem Auswahlverfahren – einen kostenlosen Schulbesuch bot. Mit dem Ende des deutschen Kaiserreichs wehte hier ein linksintellektueller Geist, dank der Öffnung für breitere Volksschichten war ein neues Schülerpotential gewonnen. Nach 1933 kam die Lehranstalt nicht umhin, eine seinem einstigen Schüler Horst Wessel (1907–1930) gewidmete Gedenktafel am Eingang zu tragen ...
     Mit den letzten Jahrzehnten des Gymnasiums, der Zeit zwischen den Weltkriegen – das Gebäude wurde 1944 zu zwei Dritteln zerstört, die Schule nach 1945 nicht weiter-
geführt –, befaßt sich ein bereits erfolgreich angelaufenes Zeitzeugenprojekt im Bürgerverein Luisenstadt. (Hinweise werden gern vom Bürgerverein Luisenstadt unter der Telefon- Nummer 279 54 08 entgegengenommen.)
     Das Köllnische Gymnasium kann sich zwar nicht, wie das Graue Kloster, mit einem Bismarck als Schüler brüsten, jedoch gedenkt eine Tafel am Restgebäude an der Ecke Wallstraße, das heute eine Musikschule und einen Jugendklub beherbergt, eines seiner berühmtesten Schüler, des Polarforschers Alfred Wegener (1880–1930). Seinen Zögling Johann Joachim Winckelmann (1717–1768), den Archäologen, hatte das Gymnasium bereits in gebranntem Ton als seinen Schutzgeist zu verewigen gesucht. Der Ägyptologe Heinrich Brugsch (1827–1894) und sein Sohn Theodor (1878–1963), der Mediziner, hatten sich hier gebildet, eine Reihe späterer Universitätsprofessoren ging aus dem Köllnischen Gymnasium hervor.

Bildquelle:
Landesbildstelle Berlin

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