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Kurt Wernicke
Sammlung erster Solidaritätsbeiträge

Berliner Buchdruckergesellen spenden 1849 für ihren in die Emigration getriebenen einstigen Vorsitzenden

Eine zentrale Rolle bei der Formierung der in ihren Anfängen steckenden Berliner Arbeiterbewegung im Jahre 1848 hatte Stephan Born (1824-1898) gespielt. 15jährig war er als Simon Buttermilch im Sommer 1840 aus seiner Heimatstadt Lissa im Posenschen nach Berlin gekommen, um hier eine Schriftsetzerlehre anzutreten. Als sein Vater 1842 auf sein Gesuch hin vom preußischen Innenminister die Erlaubnis erhielt, daß seine minderjährigen Söhne den Familiennamen Born annehmen dürften, mutierte auch Simons Familienname. Nach fünfjähriger Lehrzeit im Sommer 1845 zum Gesellen geworden, trat er sofort dem 1844 gegründeten Berliner Handwerkerverein bei und gewann nach wenigen Monaten Anschluß an den unter dessen Mitgliedern tätigen Berliner Zweig des Bundes der Gerechten.
     Im Herbst 1846 zur Wanderschaft nach Frankreich aufgebrochen, entging er der Berliner Kommunistenhatz vom Dezember 1846, verkehrte 1847 in Paris monatelang in

engster Freundschaft mit Friedrich Engels (1820-1895), sog als Bundesmitglied (unter dem Bundesnamen Stephan, daher auch die seither selbstverständliche Benutzung dieses Vornamens) dessen Darlegungen des historischen Materialismus in vollen Zügen ein und begrüßte die Umwandlung des Bundes der Gerechten in den der Kommunisten. Seit Herbst 1847 als Setzer bei der »Deutschen-Brüsseler-Zeitung« tätig, kam er in der belgischen Hauptstadt auch in engen Kontakt mit Karl Marx. Als nach Beginn der Märzrevolution die unter diesem in Paris neukonstituierte Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten profilierte Bundesmitglieder als Emissäre in mehrere deutsche Regionen entsandte, damit sie dort im Sinne des Bundes bei der Organisierung einer Deutschland umspannenden Arbeiterbewegung wirksam würden, gehörte Born zu den Ausgewählten: Er war der Emissär für Berlin.
     Ende März/ Anfang April hier eingetroffen, gelang es ihm ganz schnell, zum Repräsentanten der hiesigen Buchdruckergesellen zu werden und von dieser Ausgangsposition her mit Unterstützung Berliner Bundesmitglieder in kürzester Frist auf der Basis der einzelnen Gewerke ein Zentralkomitee für Arbeiter zu organisieren, zu dessen Präsidenten er am 19. April gewählt wurde. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Gesellenkomitees der Buchdrucker führte er diese Ende April und Anfang August in einen
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Streik (wobei der erste z. T. erfolgreich war, der zweite mit einer Niederlage endete). In seiner Funktion als Präsident des Zentralkomitees für Arbeiter wirkte er auf die Begründung eines überregionalen Arbeiterverbandes mittels eines Kongresses von Arbeiter- und Handwerkervereinen Mitte Juni und eines zweiten Ende August hin, deren erster praktisch erfolglos verlief, deren zweiter aber die Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung aus der Taufe hob.
     Der Gründungskongreß der Arbeiterverbrüderung hatte Born – der schon von Ende Mai bis Ende August die Arbeiterzeitung »Das Volk« als Organ des Berliner Zentralkomitees herausgegeben hatte – zum Redakteur des Verbandsorgans »Die Verbrüderung« bestimmt. Und da der neben dem Geometer Franz Schwenniger (1822–1867) und dem Schneider Georg Kick (Lebensdaten unbekannt; 1850 in die USA emigriert) für den dritten Mann im Präsidium des Zentralkomitees der Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung freigehaltene Platz des Vertreters eines in Frankfurt am Main tagenden Deutschen Gesellenkongresses nicht besetzt wurde, nahm Born diesen ein. Präsidium und Verbandsorgan nahmen ihren Sitz in Leipzig, und so verließ Born Berlin als Stätte seines Wirkens im September 1848. Durch die Erinnerung an seine Tätigkeit und durch seine Beiträge in der »Verbrüderung« blieb er aber in der sich formierenden Berliner Arbeiterbewegung
wohlbekannt. Besonders wurde die Erinnerung an ihn bei den Buchdruckern gepflegt, wo der nach der Niederlage im Auguststreik als Prediger von Selbstbewußtsein und Wiederbeleber von Kampfesmut auftretende Hermann Kannegießer (1821–1853) sich gern auf Born berief.
     Ende April 1849 war Stephan Born vom Leipziger Arbeiterverein in einer Nachwahl zu dessen Deputierten bei der Landeskommission zur Beratung einer Sächsischen Gewerbeordnung gewählt worden, hatte sich demgemäß nach Dresden begeben und tatsächlich an einer Sitzung der Kommission teilgenommen, als in den Straßen der sächsischen Residenz der Maiaufstand zugunsten der Reichsverfassung ausbrach. Born beteiligte sich sofort profiliert am Aufstand, mußte aber dessen durch preußische Militärintervention herbeigeführtes Scheitern erleben und sein Heil in der Flucht suchen. Ende Juni war Born schließlich auf sicherem französischen Boden – in Straßburg, dem Zielort nicht weniger deutscher Flüchtlinge – eingetroffen. Die Strapazen der Flucht im Verein mit der ständigen psychischen Anspannung warfen ihn dort aufs Krankenlager – physisch und wohl auch psychisch, aber auf alle Fälle finanziell, befand er sich ziemlich am Boden.
     Ob er nun selbst auf die Idee kam, sich um finanzielle Unterstützung an Freunde und Kollegen an seinen Wirkungsstätten als Arbeiterrepräsentant während der Revolutions-
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monate – Berlin und Leipzig – zu wenden, oder ob ihn jemand anderer auf die Möglichkeit aufmerksam machte, an die Solidarität jener zu appellieren, an deren Spitze er 1848 und in den ersten Monaten des Jahres 1849 gestanden hatte, steht dahin. Jedenfalls ging Ende Juni ein Hilferuf von Freunden Borns ab, in dem eine Geldsammlung zugunsten des einstigen maßgeblichen Vertreters der sich formierenden Arbeiterbewegung angeregt wurde.
     Der Brief wurde zunächst nach Leipzig – sehr wahrscheinlich an die Redaktion der »Verbrüderung« – gesandt, wo ihn ein Mitglied der seit der Jahreswende 1848/49 um die Leserschaft des Buchdruckerorgans »Gutenberg« herum entstehenden Gewerkschaft Gutenbergbund mit Namen Strohbach zum Anlaß für eine vom 5. Juli datierte entsprechende Aufforderung an die Berliner Kollegen nahm und den gerade im Juni personell erweiterten Zentralvorstand des Gutenbergbundes (der praktisch identisch war mit der Redaktion des Buchdrucker-Wochenblatts »Gutenberg«) anschrieb: Kollegen! Ich wollte schon lange über Born schreiben; jetzt treibt mich die Notwendigkeit dazu. – Als er von Dresden flüchten mußte, war er schon unwohl. In Kaiserslautern angekommen, mußte er das Bett hüten, konnte sich also nicht am Kampfe beteiligen. K(aiserslautern) wurde aufgegeben, B. ging nach Straßburg, wohin ihn ein Freund begleitete; hier hat sich aber die Krankheit verschlimmert, und zwar in dem Grade, daß
er das Bett nicht verlassen kann. Er ist von allen Hilfsmitteln entblößt, keine Kleider, keine Wäsche und, was das Schlimmste, kein Geld. Ich poche daher an Eure Tür und bitte um ein schuldiges Opfer. Aber umgehend müßt Ihr schicken, oder direkt an denselben schreiben; besser aber wir bekommen alle Beiträge hierher, damit eine ansehnliche Summe an ihn geschickt werden kann.
     Seine Adresse ist Carl Fernau im Gasthof zum Rebstock in Straßburg im Elsaß (inwendig jedoch an Born oder Friedrich Schnake). – Um eine Gefälligkeit möchte ich Euch noch bitten: laßt diesen Brief den Bürger Bisken lesen, damit auch dieser seine Maßgabe treffen kann. Schwenniger ist noch immer in Haft wegen der Dresdener Ereignisse.
     Die Bitte einer Weiterleitung an Ludwig Bisky (1817–1863), den Vorsitzenden des Berliner Bezirkskomitees der Arbeiterverbrüderung, verweist auf eine breitere Anlage der Solidaritätskampagne als auf die Buchdruckergesellen – aber das Bezirkskomitee wußte seine eventuellen Aktivitäten jedenfalls besser zu verbergen als der Berliner Gutenbergbund: Nur bei letzterem förderte ein polizeilicher Zugriff auf den führenden Funktionär Kannegießer im Februar 1850 die Listen über die stattgehabte Sammlung zutage!
     Schon am 8. Juli – wohl bereits an dem Tag, an dem das Leipziger Schreiben bei der Zentrale des Gutenbergbundes in Berlin eintraf, – wurde ein Aufruf formuliert, der
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Faksimile der Spendenliste zur Solidaritätssammlung vom Juli 1849
die gerade erst am 24. Juni zum Berliner Hauptverein des Bundes konstituierte Gesellenschaft des örtlichen Buchdruckergewerks anmahnte, es nicht an der nötigen Solidarität fehlen zu lassen: Es ist dem Bundesvorstande die Mitteilung geworden, daß unser Kollege Born in Straßburg am Rhein schwer erkrankt ist und sich ohne Kleider, ohne Wäsche und ohne Geld in ganz hilfsloser Lage befindet. Der Gutenberg-Bund zu Leipzig und Magdeburg, denen er persönlich fernsteht, haben bereits für ihn gesammelt.
     Es ergeht hiermit an alle Buchdrucker Berlins, welche aus Kollegialität für den Erkrankten und Hilfsbedürftigen etwas tun wollen, die Bitte, ihren Beitrag zu diesem Zwecke dem
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Boten sogleich zu übergeben, damit der Ertrag der Sammlung recht schnell abgesandt werden könne.
     Es wurde noch mitgeteilt, daß der am nächsten Freitag (dem 13. Juli) die einzelnen Druckereien aufsuchende Bote des »Gutenberg« eine Übersicht über das Ergebnis der Sammlung und die Quittung der Post über die vorgenommene Einzahlung vorlegen werde: Offenbar wurde der stets auf Sonnabend datierte »Gutenberg« bereits immer schon am Freitag betriebsweise an die abonnierenden Gesellen geliefert, so daß es relativ leicht war, die Auslieferung mit der Rechenschaftslegung zu verbinden.
     Tatsächlich war die Solidaritätssammlung eine Sache weniger Tage. Vom 9. bis 11. Juli waren aus 45 Betrieben 22 Taler 16 Silbergroschen zusammengekommen. Die einzelnen Zuwendungen verteilten sich auf die Druckereien folgendermaßen:
 
Fuchs und Jansen20 Sgr.
Vereinsbuchdruckerei20 Sgr.
Brandes u. Schultze20 Sgr.(6 Mitgl.)
A. W. Schade18 Sgr.6 Pfg.
Bruschke4 Sgr.
Schmidt12 Sgr.(3 Mitgl.)
Nauck4 Sgr.(2 Mitgl.)
Obst5 Sgr.(2 Mitgl.)
Littfass5 Sgr.6 Pfg.
Draeger5 Sgr.
Fähndrich7 Sgr.6 Pfg.
Lessing (Voss.Ztg.)1 Tlr.23 Sgr.
Feister5 Sgr.6 Pfg.
Mittler&Sohn10 Sgr.6 Pfg.
Trowitz17 Sgr.9 Pfg.
Druck. der »Reform«19 Sgr.6 Pfg.
Petsch20 Sgr.
Starcke13 Sgr.6 Pfg.
Bernstein8 Sgr.6 Pfg.
Decker1 Tlr.24 Sgr. 6 Pfg.
Reimer6 Sgr.
Striese2 Sgr.
Jahncke (C. Mewis)2 Sgr.
Franke1 Sgr.
Reichardt17 Sgr.6 Pfg. (4 Mitgl.)
Lindow15 Sgr.
G. Schade15 Sgr.(6 Mitgl.)
Druck. der Akadem.7 Sgr.
Unger9 Sgr.3 Pfg.
Druck. Spen. Ztg.19 Sgr.
Niet(h)ack2 Sgr.6 Pfg.
Kolbe2 Sgr.
Hänel/Schriftgießer2 Tlr.13 Sgr. (36 Mitgl.)
Hänel/Drucker20 Sgr.6 Pfg.
Sittenfeld28 Sgr.6 Pfg.
Harth&Schultze5 Sgr.
Hayn22 Sgr.6 Pfg.
Gubitz9 Sgr.6 Pfg.
Brandis9 Sgr.6 Pfg.
E. Krause2 Tlr.8 Sgr. 6 Pfg.
Moeser&Kühne2 Sgr.6 Pfg.
Plessner1 Sgr.
Lauter2 Sgr.6 Pfg.
C. Schultze2 Sgr.
Lohmann2 Sgr.6 Pfg. (1 Mitgl.)
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Der Buchhalter der Berliner Börse, Langner, hatte sich mit 5 Silbergroschen an der Sammlung beteiligt. Und am 12. Juli traf ein Brief des Buchdruckereibesitzers Eduard Krause (1816–1882; vgl. BM 9/98) beim Vorsteher des Berliner Hauptvereins des Gutenbergbundes ein, dem ein ganzer Taler als ein nachträglicher Beitrag des Unternehmens beigefügt war.
     Der Empfänger muß sehr wohl verstanden haben, daß es sich um eine ganz persönliche Gabe Krauses an seinen einstmals engen Freund Born handelte – ein Freund in jener Zeit, als sie sich in den Jahren 1845/46 im Handwerkerverein betätigten; als Unternehmer hatte Krause sich jedoch mit Born auseinandergelebt, als dieser im August 1848 an der Spitze des Berliner Buchdruckerstreiks gestanden, Krause den Ausstand aber wütend als unberechtigt bekämpft hatte. Erst im »Gutenberg« vom 2. Juni 1849 war Krause eine scharfe Polemik zu der unübersehbaren Diskrepanz zwischen seiner vormärzlichen Propagierung des Sozialismus in Diskussionszirkeln mit Mitgliedern des Handwerkervereins und seiner jetzigen Feindschaft gegenüber der gewerkschaftlichen Bewegung unter seiner Belegschaft vor Augen gekommen, in der gar von der »Bourgeoisfrechheit des ehemaligen Social-Demokraten« die Rede gewesen war. So war die Beteiligung des Unternehmers Krause an einer Solidaritätssammlung der Gewerkschaft wohl als versöhnende Geste gemeint
und als kleiner Wink, daß Druckereibesitzer Krause noch Erinnerungen an enge Bekanntschaft mit Born im vormärzlichen Handwerkerverein bewahrte.
     Der wie versprochen am 13. Juli in den Druckereien auftauchende Bote der Redaktion des »Gutenberg« gab den Spendern nun Einblick in die Abrechnung: Es waren 23 Taler, 21 Silbergroschen eingekommen, von denen der Sammler für seine dreitägigen Mühen einen Taler als Spesen erhalten hatte, so daß – unter Berücksichtigung des Portos – 22 Taler hatten an Born bzw. Carl Fernau (auf diesen Namen hatte er sich einen Paß besorgen können) versandt werden können. Darüber präsentierte die »Gutenberg«-Redaktion jedem, der ihn sehen wollte, einen Posteinlieferungsschein, datiert vom 13. Juli 1849.
     Am 23. Juli quittierte Born aus Straßburg den Empfang. Der Quittung folgte ein Dankschreiben vom 25. Juli, das die Nr. 31/1849 des »Gutenberg«, die mit Datum vom 4. August erschien, unter »Eingesandt« ihren Lesern präsentierte: An meine Freunde im Gutenberg-Bunde! Meinen innigsten Dank für die mir aus Eurer Mitte zuteilgewordene Unterstützung. Es war mir ein Trost, daß sie mir von meinen Kollegen zugekommen. Sie betrachte ich als meine nächsten Brüder, denen ich durch natürliche Bande angehöre, und unter Brüdern gibt es eine Gegenseitigkeit in allen Schicksalsfällen, die den Einen oder den Anderen nur erreichen mögen. Wenn es mir wie so Vielen bis jetzt nicht gelungen ist, in meinen
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Bestrebungen für das Wohl der deutschen Arbeiter und im Speziellen für das der Buchdrucker glückliche Erfolge zu erringen, so wird es an meinem festen Willen, das Beste zu erreichen, auch in Zukunft nicht fehlen. Wir können heute, wir können morgen noch einmal, wir können noch vielmal von den Feinden der Freiheit geschlagen werden – der Sieg wird zuletzt doch dem Volke, uns, bleiben; das sagt uns unser Menschenbewußtsein, dieser Glaube beseeligt unseren Mut, stärkt uns zu Ausdauer und Beharrlichkeit.
     Wo mich das Geschick auch hinführen möge, stets werde ich meiner deutschen Brüder und Kollegen gedenken, stets wird es mein höchstes Bestreben sein, mich Ihrer Liebe und Achtung würdig zu zeigen. Ein herzliches Lebewohl!

     Wie es im Leben nicht selten vorkommt, blieb unter dem Druck der Verhältnisse nicht viel übrig von der als lebenslange Verpflichtung deklarierten Zusammengehörigkeit von Stephan Born und der Arbeiterbewegung. Als honoriger Schweizer Bürger und Baseler Germanistikprofessor blieb Born der Arbeiterbewegung keineswegs – weder in ihrer Form als Arbeiterpartei noch als Gewerkschaft – treu. Aber seine Verdienste um die Formierung einer eigenständigen deutschen Arbeiterbewegung in den Turbulenzen der Revolution 1848/49 sind unbestritten. Daß seine Person auch zum Anlaß zu einer ersten dokumentierten gewerkschaftlichen Solidaritätssammlung in Berlin diente, fügt diesem Abschnitt seines Lebens
eine weitere Facette hinzu. Dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack: In seiner von Eigenlob nicht freien Autobiographie beendet der alte Born den Bericht über seine Flucht mit der Ankunft in Nürnberg, übergeht seinen Aufenthalt in Straßburg und nimmt den Faden seiner Erinnerung erst wieder auf Schweizer Boden auf – die mit ihm geübte Solidarität in einem Moment, als er ihrer offenbar dringend bedurfte, hielt er vor der Nachwelt nicht für erwähnenswert!

Quellen:
-     »Gutenberg, Organ für das Gesamtinteresse der Buchdrucker und Schriftgießer Deutschlands«, Jg. 1 und 2 (1848/49), Berlin (Bibliothek im Landesarchiv Berlin/STA, Nr. 11 380)
-     »Die Reform« vom 15. 9. 1848
-     Geheimes Staatsarchiv/PK, HA I, Rep. 77 Tit. 1072 Nr. 1 Bd. 1, fol. 242-244
-     Franziska Rogger, Wir helfen uns selbst! Die kollektive Selbsthilfe der Arbeiterverbrüderung 1848/49 und die individuelle Selbsthilfe Stephan Borns – Borns Leben, seine Entwicklung und seine Rezeption der zeitgenössischen Lehren. Erlanger Studien, Bd. 67, Erlangen 1986
-     Stephan Born, Erinnerungen eines Achtundvierzigers, Leipzig 1898
-     Kurt Wernicke, Hermann Kannegießer. An der Wiege der deutschen Gewerkschaftsbewegung, in: Jahrbuch für Geschichte, Bd. 35 (1987)
-     Kurt Wernicke, Als Unternehmer auf der Barrikade, in: »Berlinische Monatsschrift«, Heft 9/1998

Bildquelle: GSTA/PK

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