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Helmut Caspar
Bald wieder ins Rheinsberger Schloßtheater

Wenn alles nach Plan geht, wird Ende dieses Jahres das wiederaufgebaute Schloßtheater in Rheinsberg mit einer dem Freund des preußischen Kronprinzen Friedrich, ab 1740 König Friedrich II., Hans Hermann von Katte, gewidmeten Oper von Siegfried Matthus eingeweiht. Architekten und Handwerker haben sich ein hohes Ziel gesetzt, denn wenn man die Baustelle vis à vis der 1734 bis 1740 von Johann Gottfried Kemmeter und Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff für den jungen Friedrich errichteten Residenz betritt, sieht man einen Rohbau, in den jetzt Bühnen- und Studiotechnik, Kasse, Garderobe, Bestuhlung und anderes eingefügt werden müssen. Außerdem wird das schon seit dem vorigen Jahrhundert verlorene Kulissenhaus dem Theater angefügt. Wiederaufbau und Umbau des Komplexes nach Plänen des Berliner Architektenbüros Hein, Wittenmeyer und Partner kosten rund 23 Millionen Mark, die sich das Land Brandenburg und die Europäische Union teilen.
     Entgegen anderslautenden Gerüchten war der säulenbestückte Kunsttempel nach dem

Zweiten Weltkrieg nicht ausgebrannt, sondern fiel sträflicher Vernachlässigung zum Opfer. Ein Loch im Dach von einem Granatentreffer weitete sich so aus, daß am Ende nur noch die Umfassungsmauern übrigblieben. Nach dem Auszug des Diabetikersanatoriums und der Übernahme des Schlosses durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten im Jahr 1991 wurde die Ruine gesichert. »Von Anfang an bestand der Wunsch, hier wieder eine Spielstätte einzurichten«, sagt Bauleiter Federico Gallo. Per Knopfdruck kann künftig das Podest für die Musiker aus dem Theatergraben nach oben gehievt werden. Bei Musikaufführungen sitzen die Zuhörer dann nach Veränderungen in der Bestuhlung halbkreisförmig um das Orchester. In der Pause haben Besucher Gelegenheit, Reste der aus Granitfindlingen gefügten Stadtmauer zu bestaunen, die Teil der Grundmauern des Kunsttempels sind.
     Ein Blick auf die Baupläne zeigt, daß das fürstliche Amphitheater mit zwei hufeisenförmigen Rängen, das sich der schauspielbesessene Prinz Heinrich im Jahre 1774 von Carl Wilhelm Hennert als Teil des von Höflingen bewohnten Kavalierhauses hatte bauen lassen, im Inneren nicht mehr wiederhergestellt wird. Für diese Entscheidung seien nicht nur die Kosten ausschlaggebend gewesen, sondern auch die Tatsache, daß heutige Anforderungen an eine moderne Spielstätte kaum zu realisieren seien, wenn man den Zuschauerraum in der Form des
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späten achtzehnten Jahrhunderts wiederhergestellt hätte. »Außerdem sind die Anhaltspunkte für eine authentische Rekonstruktion des üppig dekorierten Hoftheaters zu gering«, sagt der Literaturhistoriker Detlef Fuchs, der seit 1991 als Kastellan über die Geschicke des Schlosses wacht. Einzig die im Theatersaal da und dort noch erhaltenen Marmorierungen auf Putz sowie Reste von Stuck würden künftig als letzte Zeugen frühklassizistischer Pracht zu sehen sein.
     Prinz Heinrich von Preußen war ein vielseitig begabter Mann. Friedrich II. setzte seinen Bruder bei verschiedenen diplomati-
schen Missionen ein, an seinem Hof im Prinz-Heinrich- Palais in Berlin, der späteren Universität Unter den Linden, und in Rheinsberg waren bedeutende Persönlichkeiten zu Gast. Wie der »Alte Fritz« war auch Heinrich, der sich als Freund alles Französischen Henri Louis nannte, ein Freund der Musen. Durch Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und andere Quellen sind die kulturellen Ambitionen des Hohenzollern überliefert, dessen Gesicht durch Pockennarben gezeichnet war. Ein Zeitgenosse, der französische Gesandte Graf Ségur, urteilte über den Prinzen, der durch ein hohes Perückentoupet
etwas größer zu wirken suchte: »Wenn man mit ihm sprach, vergaß man bald seinen unansehnlichen Wuchs, die Unregelmäßigkeit seiner Augen und das Unangenehme seiner Gesichtszüge, das zunächst abstoßend wirkte. Sein Geist adelte seinen Körper, man sah in ihm nur noch den großen Mann und den liebenswürdigen Menschen.« Und Voltaire nannte ihn in Anspielung an einen berühmten Feldherren
Vor seiner Einweihung: Das wiederaufgebaute Schloßtheater in Rheinsberg
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den »Condé von Rheinsberg«, dem die Herzen Europas entgegenschlagen, einen Mann, der »den Siegerkranz Apollos mit dem von Mars zu vermengen geruht«. In Berlin und Rheinsberg stand dem Prinzen eine französische Theatertruppe zur Verfügung, er selber spielte in Komödien und Tragödien mit und nötigte seinen Hof (mit Ausnahme seiner Gemahlin Wilhelmine von Hessen-Kassel, die er sich konsequent vom Leibe hielt und nur bei hochoffiziellen Gelegenheiten sah), sich ebenfalls schauspielernd und musizierend zu betätigen. Solange in Rheinsberg kein festes Theatergebäude existierte, fanden die Aufführungen im Freien statt. Das sogenannte Heckentheater und der See dienten als Staffage und Kulisse. Indem Heinrich ein festes Hoftheater als Teil des Kavalierhauses errichtete, erfüllte er sich einen Herzenswunsch. »Die Größe des Amphietheaters ist verhältnismäßig nach der Zahl der Zuschauer eingerichtet, zwei Reyhen Logen übereinander in blau und weiß gemahlten Blumengehängen ausgezieret, werden von Termen und gewundenen Säulen getragen und schließen nebst dem Parterre den Platz für die Zuschauer ein«, schrieb Baumeister Hennert in einem von Friedrich Nicolai 1778 veröffentlichten Büchlein über Schloß, Park und Stadt Rheinsberg.
Porträt des Prinzen Heinrich
von Johann Heinrich Lips, um 1775

 
An der Hauptfront wurden in Nieschen zwischen den Halbsäulen des neuen Musentempels Büsten der römischen Komödiendichter Terenz und Plautus aufgestellt. Das Theater hatte drei Eingänge, links für die Loge des Prinzen, in der Mitte für große Dekorationsstücke, rechts für das Publikum und die Schauspieler. 300 bis 350 Personen fanden hier Platz.

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Nach dem Tod des Prinzen im Jahre 1802 wurde das Theater nur noch selten von durchreisenden Schauspielern genutzt. Ende des 19. Jahrhunderts waren bereits die technische Einrichtung, die Sitze sowie das »al fresco« gemalte Relief im Giebel verloren. Auch das baufällige Kulissenhaus, das jetzt wieder aufgebaut wird, existierte nicht mehr.
     Gespielt wurde, was zu damaliger Zeit modisch und vor allem französisch war – Komödien, Trauerspiele, Singspiele, Opern, so von Johann Abraham Peter Schulz, der als Musikdirektor am Rheinsberger Hoftheater tätig war. Insgesamt wird von Zeitgenossen die Qualität der Aufführungen gelobt. Die aus Heinrichs Feder stammenden Opern, Trauer- und Lustspiele sind nicht erhalten, von ihnen weiß man nur aus dem Munde des Grafen Ségur, sie seien ohne jeden Wert, der Plan sei schlecht ausgedacht, der Stil inkorrekt und schleppend und die Idee sehr gewöhnlich.1) Wenn die Plätze vom Hof nicht besetzt wurden, durfte auch die Rheinsberger Bevölkerung den Aufführungen beiwohnen.
     Da die Hohenzollern die im Berliner Prinz-Heinrich-Palais (der heutigen Humboldt-Universität) und im Rheinsberger Schloß verwahrten reichen Gemälde- und Antikensammlungen sowie das Mobiliar nach dem Tod von Prinz Heinrich versteigern ließen, während die Bücher an die Königliche Bibliothek in Berlin gingen, ist das ursprünglich
überaus luxuriöse Inventar in alle Winde zerstreut. Nach der Wiedervereinigung allerdings gelangten einige Bilder, Büsten und Möbel aus Berliner und Potsdamer Schlössern nach Rheinsberg zurück. In der Vorkammer zum Spiegelsaal etwa wurden Wandgemälde und Rokokorahmen, die lange getrennt waren, wieder zusammengebracht. Kastellan Fuchs hofft, daß durch Ankäufe oder Spenden weitere Ausstattungsstücke wieder ins Schloß zurück kommen. Außerdem sollen große Sammlungen um Leihgaben für eine Ausstellung gebeten werden, die im Jahre 2002, wenn sich der Todestag des Prinzen Heinrich zum zweihundertsten Mal jährt, im Rheinsberger Schloß gezeigt wird. Damit will die Stiftung ein zu seiner Zeit als Militär, Diplomat, Bauherr und Mäzen sowie Oberhaupt eines vielgerühmten Musenhofes hochgeschätzten Fürsten ehren, der zu Unrecht im Schatten seines großen Bruders steht. (Siehe auch Seite 117ff.)

Quellen:
1     Vgl. Herbert A. Frenzel, Brandenburgpreußische Schloßtheater. Spielorte und Spielformen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, Bd. 59, Selbstverlag der Gesellschaft für Theatergeschichte, Berlin 1959, S. 100
Bildquelle: Foto Autor, Stadtmuseum Berlin

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