92   Geschichte und Geschichten Tresorscheine  Nächste Seite
Helmut Caspar
Possierliche Tresorscheine

Ephraims Ideen waren nicht gefragt

Kaum jemand weiß, daß das Ephraimpalais an der Poststraße in Berlins Mitte erst in den achtziger Jahren aufgebaut wurde und auch nicht am originalen Platz steht. Die Rekonstruktion aus DDR-Zeiten wird als Teil eines Denkmalensembles mit der Nikolaikirche dankbar angenommen. Erbaut von dem Architekten Friedrich Wilhelm Diterichs für den »Münzjuden« Friedrichs des Großen, Veitel Heine Ephraim (1703–1775), dient die »schönste Ecke Berlins« mit reichem Säulen- und Puttenschmuck seit 1987 dem Märkischen Museum für Ausstellungszwecke. Das mehrfach umgebaute und veränderte Ephraimpalais gelangte in preußischen Staatsbesitz, wurde in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wegen Verbreiterung des Mühlendamms abgetragen und sollte nach dem Zweiten Weltkrieg in Westberlin als Jüdisches Museum aufgebaut werden, weil dort wichtige Architekturgliederungen lagerten. Nach Rückgabe der Steine und Figuren gelangen in den achtziger Jahren der Neuaufbau an fast der originalen Stelle und die festliche Einweihung zur 750-Jahr- Feier Berlins.

Wenig bekannt ist auch, daß der Sohn des ersten Hausbesitzers, der 1742 geborene Benjamin Veitel Ephraim, vor gut 200 Jahren Probleme mit der preußischen Regierung bekam und als armer und geächteter Mann im Jahre 1811 starb. Wie es dazu kam, hat der Berliner Germanist und Historiker Gerhard Steiner in dem mit vielen interessanten Informationen versehenen Buch »Drei preußische Könige und ein Jude. Erkundungen über Benjamin Veitel Ephraim und seine Welt« (Edition Hentrich) dargestellt.
     Benjamin Veitel Ephraim hat alle Höhen und Tiefen kennengelernt, die ein jüdischer Unternehmer im damaligen Preußen unter der Regentschaft der Könige Friedrich II., Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III. erleben mußte. Der Heereslieferant und Manufakturbesitzer, der zeit seines Lebens für die Emanzipation der Juden stritt, mußte vor seinem Tod, als das von den Truppen Napoleons I. geschlagene Preußen am Abgrund stand, Konkurs anmelden. Seiner Witwe blieb nur wenig von dem ursprünglich großen Vermögen und den Kunstsammlungen ihres Mannes, in dessen Salon sich die aufgeklärte, geistig regsame und auch den Juden gegenüber aufgeschlossene Berliner Gesellschaft getroffen hatte.
     Daß ein Mann wie dieser Benjamin Veitel Ephraim Neider und Feinde hatte, liegt auf der Hand, dies um so mehr, als man ihn als Parteigänger der Französischen Revolution verunglimpfte, ihn gar verdächtigte, er sei
SeitenanfangNächste Seite


   93   Geschichte und Geschichten Tresorscheine  Vorige SeiteNächste Seite

Die »Kopie« des 1766 fertiggestellten Ephraimpalais
ein französischer Spion, und daher verhaftete. In besseren Zeiten hatte der Sohn des »Münzagenten« Friedrichs des Großen geheime Aufträge erhalten, unter anderem, für Polen mit Hilfe nachgeschnittener Stempel neue Münzen herzustellen. Die eigentlich zu den Kapitalverbrechen zählende, vom König aber sanktionierte Herstellung minderwertiger Münzen hatte bei den Ephraims Tradition. Schon im Siebenjährigen Krieg hatte der Vater, Veitel Heine Ephraim, für die preußische Regierung in Leipzig und Dresden kursächsisches Geld mit Hilfe erbeuteter beziehungsweise nachgeschnittener Stempel hergestellt, um die preußischen Feldzüge zu finanzieren. Das Volk erkannte den Schwindel und reimte: »Von außen schön / von innen schlimm. / Von außen Friedrich, / von innen Ephraim.«
     Sicher wäre Benjamin Veitel Ephraim viel
SeitenanfangNächste Seite


   94   Geschichte und Geschichten Tresorscheine  Vorige SeiteNächste Seite
einzog, hier die Kontinentalsperre gegen England dekretierte und 1807 in Tilsit Preußen harte Friedensbedingungen diktierte, erwuchs die Notwendigkeit, in Preußen längst überfällige Reformen durchzuführen.
     Wenn sich Benjamin Veitel Ephraim nicht seinen Geschäften hingab, überschüttete er die Regierung mit Denkschriften. Darunter befinden sich Vorschläge zur Verbesserung der preußischen Tresorscheine, die als Holzschnitt- Drucke ziemlich primitiv hergestellt waren. Die Scheine von 1806 mit dem Zusatz »nach dem Münzfuß von 1764« tragen die Unterschriften
Preußischer Tresorschein von 1806
Kummer erspart geblieben, hätte er sich an die Staatsraison gehalten und ins antifranzösische Horn gestoßen, wie die meisten Untertanen des preußischen Königs. Aber es lag in der Natur dieses unbequemen Kaufmanns und Diplomaten im eigenen und gelegentlich auch im Auftrag der preußischen Regierung, daß er in Paris für Ausgleich warb. Selbst ein Mann wie Prinz Heinrich, der jüngere Bruder Friedrichs II., machte sich am Hofe unbeliebt, weil er die Vorgänge in Frankreich nicht total in Grund und Boden verdammte. Bekanntlich behielt die Berliner Kriegspartei in ihrer Überheblichkeit vor dem Zusammenstoß von 1806 die Oberhand. Aus der Niederlage von Jena und Auerstedt, in deren Folge Napoleon I. in Berlin der Minister von der Schulenburg und vom und zum Stein, es fehlen aber Ortsangaben, Daten und ein Hinweis auf den Ausgabeort. Jeder Ratschlag, die Emission technisch und gestalterisch zu verbessern und etwas für Fälschungssicherheit zu tun, mußte von der Regierung als Kritik empfunden werden, die einem Untertanen Seiner Majestät König Friedrich Wilhelms III. nicht zusteht. Brüsk wurden Ephraims Ideen abgeschmettert.
     Dem Unternehmer schwebten »geheime Zeichen« vor, die nur von Experten erkannt werden konnten, Betrügern aber verborgen blieben. Gegenüber Friedrich Wilhelm III. bemerkt der Minister vom und zum Stein, der sich als Reformer einen Namen machte, Ephraim wolle seine »Neuerungen« für eine Prämie von 10 000 Talern der preußischen
SeitenanfangNächste Seite


   95   Geschichte und Geschichten Tresorscheine  Vorige SeiteAnfang
Regierung anvertrauen. Doch sei das, was er vorschlägt, bereits bei Chemikern und anderen Personen bekannt. Die Verbesserungen würden aber dem Volke gar keine und der Regierung nur »sehr geringe und prekäre Sicherheit« gewähren und verdienten daher »keine Belohnung und Anwendung«.
     Der Minister schließt seine auf dem Urteil Alexander von Humboldts, des Chemikers Klaproth und des Kupferstechers Fischer basierende Ablehnung mit folgender, später immer wieder zitierter Meinung: »Der p. Ephraim hat demnach hierdurch einen neuen Beweis seiner Erbärmlichkeit und seiner allseitigen Beschränktheit gegeben, und es verdiente wohl eine Rüge, daß er verständige Männer auf eine so unverantwortliche Art um ihre Zeit bringt.« Der Kabinettsentscheid vermerkt lakonisch: »Es wird dem Referenten überlassen, die Unverschämtheit des Ephraim zu rügen.« Wie in dem Buch »Das deutsche Staatspapiergeld« (Berlin 1901, Nachdruck Gietl Verlag Regenstauf 1993) berichtet wird, erhielt Ephraim »wegen seiner Zudringlichkeiten auf des Königs Befehl einen Verweis, welchen, wie Pertz sagt, seine widerlich-possierlichen, gleich kriecherischen und anmaßenden Briefe wohl verdienten«.
     Benjamin Veitel Ephraim, der auch mit dem Vorschlag gescheitert war, zehn Millionen Taler in Münzscheinen zu acht Groschen bis einen Taler herzustellen, hatte einen neuralgischen Punkt preußischer
Finanzpolitik getroffen und sich mit einem Minister angelegt, der sich für das damals noch ungewohnte Papiergeld stark machte. Die Tresorscheine sollten den durch die französischen Kontributionen stark angestiegenen Geldbedarf in Preußen decken und konnten, wenigstens theoretisch, jederzeit gegen kurantes Silbergeld eingetauscht werden. Allerdings stand die Bevölkerung dem Papiergeld mißtrauisch gegenüber, wußte sie doch, was massenhaft gedruckte Assignaten in Frankreich angerichtet hatten.
     Daß Ephraim mit seinen Vorhaltungen nicht danebenlag, zeigt die Tatsache, daß die französischen Besatzer in Berlin versuchten, den Holzschneider Friedrich Wilhelm Gubitz für die Fälschung der Tresorscheine anzuheuern. In seinen »Erlebnissen« (Berlin 1868) berichtet Gubitz, man habe ihm das Ansinnen gestellt, die Staatspapiere nachzubilden. Dafür seien ihm 20 000 Taler und mehr in Aussicht gestellt worden. Da sich der Grafiker nicht locken ließ, auch nicht durch den Hinweis, Künstler in London würden dies tun, seien aber wegen Napoleons gegen England gerichteter Kontinentalsperre daran gehindert, wurde er wegen angeblicher Beleidigung des Franzosenkaisers kurzzeitig eingesperrt. Die »schnelle Abweisung des frechen Antrags« hatte für Gubitz keine weiteren Folgen. Er kam mit einem Verweis davon.

Fotos und Reproduktionen: Autor

SeitenanfangAnfang

© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de