Walter Momper

* 21. 02. 1945 in Sulingen (Niedersachsen)

Regierender Bürgermeister (West-Berlin)
16. 03. 1989 bis 24. 01. 1991

Bildnis Walter Momper In der Zeit der Vereinigung Deutschlands und Berlins wurde der Mann "mit dem roten Schal" zu einer weltweit bekannten und beachteten politischen Gestalt. Ständig war er unterwegs zu den Brennpunkten des Geschehens, sprach mit den Menschen aus beiden Teilen der Stadt, stand in Kontakt mit Spitzenpolitikern aus Ost und West.

Bei Beginn seiner Amtszeit, während der er auch als Präsident dem Bundesrat vorstand, war nicht absehbar, daß noch vor Jahresende in Berlin die Mauern fallen würden. Das ursprüngliche Hauptziel seines Senats war es daher, die Stadt - den westlichen Teil - ökonomisch vertretbar und von Grund auf ökologisch zu sanieren. Die politischen Ereignisse überrollten dieses Vorhaben, neue Probleme erforderten zuerst eine Lösung. Rückblickend charakterisierte er die unerwartete historische Situation wie folgt: "Die Einheit kam plötzlich über uns, ohne viel Pathos und ohne Vorankündigung ... Niemand war daher auf diese Umwälzung vorbereitet, weder in Bonn noch in Berlin noch andernorts." Dennoch hat ihn die Nachricht über die Maueröffnung nicht völlig überrascht. Am 31. Oktober hatte er - in Anbetracht einer angekündigten Reiseregelung der DDR - eine Projektgruppe des Senats zur "Vorbereitung auf einen verstärkten Besucher- und Reiseverkehr aus Ost-Berlin und der DDR" eingesetzt.

Bevor Momper, der Sohn eines Kochs, der in Bremen das Gymnasium besucht und 1964 das Abitur abgelegt hat, hauptberuflich in die Politik einstieg, hatte er zunächst auf historischem Gebiet gearbeitet. Von 1964 bis 1969 studierte er Politische Wissenschaften, Geschichte und Volkswirtschaft in München, Münster und Berlin. Danach arbeitete der Politologe als wissenschaftlicher Angestellter zunächst am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität und beim Geheimen Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Als Angestellter bei der Historischen Kommission von 1972 bis 1986 und deren Geschäftsführer von 1974 bis 1977 und 1984 bis 1986 war er mit Berlin besonders eng verbunden. Sein spezielles Arbeitsgebiet bildete der Bereich Geschichte und Historische Landeskunde. Mompers stadtgeschichtlichen Interessen entsprach auch seine Tätigkeit seit 1977 als Mitglied und später als Vorsitzender des Vereins zur Erforschung und Darstellung der Geschichte Kreuzbergs.

In Mompers Amtszeit als Regierender Bürgermeister vollzogen sich die entscheidenden Schritte auf dem Weg zur Vereinigung der Stadt. Sie wurde durch die Arbeit des gemeinsamen Ausschusses der Ostberliner Stadtverordnetenversammlung und des Westberliner Abgeordnetenhauses vorbereitet. Am 12. Juni 1990 leitete Momper im Roten Rathaus die erste gemeinsame Sitzung von Senat und Magistrat, bald nur noch Magisenat genannt. Oft war er mit seinem Ostberliner Amtskollegen und Parteifreund Tino Schwierzina zu sehen. Ab 3. Oktober 1990 führte er die "Landesregierung von Berlin", die bis zur Bildung des Gesamtberliner Senats am 24. Januar 1991 im Amt war. Als Berlin wieder vereint war, konnte er in der Senatssitzung am 22. Januar 1991 mit Stolz und Freude auf den zurückgelegten Weg feststellen: "Mit der kompliziertesten Koalition der Berliner Parlamentsgeschichte hatten wir eine der größten Aufgaben zu meistern, vor die Berlin in diesem Jahrhundert gestellt war."
Angesichts dieser geschichtsträchtigen Entwicklung tritt in den Hintergrund, daß Momper auch in einer weiteren Hinsicht vor historisch Neuem gestanden hatte. Erstmals regierte in Berlin eine Koalition von SPD und Alternativer Liste. Bemerkenswert auch: Erstmals stellten Frauen mit 8 der 14 Senatoren die Mehrheit in einem Senat. Doch der politisch heterogene Senat zerbrach schließlich, und Momper regierte mit einem SPD-Minderheitssenat weiter, der durch das Wahlergebnis zum Abgeordnetenhaus im Dezember 1990 - die SPD erzielte das schlechteste Wahlergebnis seit Kriegsende - sein Ende fand.

Der Wahlberliner Momper - er lebt seit 1967 in Berlin - war sich stets des besonderen geschichtlichen und politischen, auch internationalen Stellenwerts Berlins bewußt. "Berlin wurde zum Barometer für den Stand der Ost-West-Beziehungen und zum Experimentierfeld für neue Ansätze internationaler Politik", schätzte er auf die Entwicklung der Nachkriegszeit blickend ein. "Der Mauerbau 1961 schloß", so meinte er, eine "gefährliche Phase ab. Er fixierte die Grenzen zwischen den beiden Weltmächten und teilte Berlin. Das war schmerzlich für alle Menschen in Europa, aber das war die Realität, die der zweite Weltkrieg hervorgebracht hatte, und mit dieser Realität mußte Berlin, mußten die Deutschen leben lernen." Enttäuscht war Momper wiederholt von der Politik der Bundesregierung im Einigungsprozeß. Zum 10. November 1989, dem ersten Tag nach der Maueröffnung in Berlin, vermerkte er: "In Bonn war von der fundamentalen Veränderung, die heute Nacht durch Deutschland gegangen war, nichts zu spüren". Insbesondere verbitterte ihn, daß die Regierung Soforthilfe für Berlin durch Versprechen ersetzte. Auch die in Berlin praktizierte gleichberechtigte, kooperative Zusammenarbeit beider Parlamente vermißte er schmerzlich im deutschen Einigungsprozeß.

Rasant war der politische Aufstieg Mompers, der sich in der Studienzeit 1967 der SPD anschloß. Im Berliner Bezirk Kreuzberg startete er seine politische Karriere, zunächst als Vorsitzender der Kreuzberger Jusos von 1969 bis 1971, dann als Mitglied und ab 1974 als stellvertretender, ab 1980 als Vorsitzender des SPD-Kreisvorstandes in Berlin-Kreuzberg. Im April 1975 zog er erstmals ins Abgeordnetenhaus von West-Berlin ein. Von 1980 bis 1985 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, führte er diese von 1985 bis 1989. Im November 1986 wurde er zum Vorsitzenden des SPD-Landesverbandes Berlin, im September 1988 in den Parteivorstand der SPD gewählt. Nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus 1990 blieb er nur SPD-Landesvorsitzender, den Fraktionsvorsitz gab er ab. Als er im August 1992 bei einer Immobiliengesellschaft einstieg, rief das in seiner Partei heftige Kritik hervor und führte schließlich zum Rücktritt von seinen politischen Ämtern. Seine politische Karriere endete damit vorerst so steil und jäh, wie sie begonnen hatte. Im August 1993 stieg er aus der Immobilienfirma aus und ließ seine Rückkehr in die Politik zu einem Pressethema des Sommers 1993 werden.

Momper ist verheiratet und hat zwei Kinder. Mit seiner Familie besucht er, schon seit Mitte der 70er Jahre, häufig das Berliner Umfeld, ist auch in Museen, Ausstellungen und Theatern anzutreffen.

 

© Edition Luisenstadt, 1998
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